25. Mai 2022

Ausgetretenen das Abendmahl verweigern?

Quelle: idea.de

Streit um die Teilnahme am Abendmahl. Foto: Ferenc Jánosi/pixelio.de

Darf man Christen, die aus Gewissensgründen aus der Kirche ausgetreten sind, das Abendmahl verweigern? Diese Frage stellt sich derzeit in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Die Evangelische Nachrichtenagentur idea hat sie in einem Pro & Kontra aufgegriffen. Dazu äußern sich der Pressesprecher der sächsischen Landeskirche, Matthias Oelke, und der emeritierte Theologieprofessor Günter R. Schmidt.

Dresden/Erlangen (idea) – Darf man Christen, die aus Gewissensgründen aus der Kirche ausgetreten sind, das Abendmahl verweigern? Diese Frage stellt sich derzeit in der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens. Die Evangelische Nachrichtenagentur idea hat sie in einem Pro & Kontra aufgegriffen. Was war passiert? In der Kirchgemeinde Oßling im Kirchenbezirk Kamenz war die Ehefrau von Pfarrer Gerald Brause, Ute Brause, Anfang Mai aus der Kirche ausgetreten. Auslöser war der Beschluss der Kirchenleitung, homosexuelle Pfarrer in seelsorgerlich begründeten Einzelfällen zusammen mit ihrem Partner im Pfarrhaus leben zu lassen. Daraufhin verlor sie nicht nur ihre Anstellung bei der Diakonie – obwohl sie betonte, lediglich der Institution den Rücken gekehrt zu haben, nicht ihrem Glauben an Jesus Christus und der Gemeinde – , sondern erhielt von Landesbischof Jochen Bohl (Dresden) auch die Bitte, nicht länger am Abendmahl teilzunehmen. Darüber, ob das gerechtfertigt ist, gehen die Meinungen auseinander.

Pro: Wer austritt, möchte nicht mehr zur Gemeinschaft der Getauften gehören

Wie der Pressesprecher der sächsischen Landeskirche, Matthias Oelke (Dresden), schreibt, zeige ein Gemeindemitglied mit dem Kirchenaustritt an, dass es nicht mehr zur Gemeinschaft der Getauften gehören wolle, die sich in einer Ortskirchgemeinde versammelt. Nicht nur in der sächsischen Landeskirche gingen die Gemeinden und ihre Leitung davon aus, dass eine Person, die sich von der Gemeinde trennt, am Abendmahl weder teilnehmen wolle noch könne. „Dies ist keine Festlegung, die für einen Einzelfall angeordnet worden ist. Sie ist die Folge eines jeden Kirchenaustritts“, so Oelke. Der Kircheneintritt wiederum werde entsprechend im Gottesdienst mit der Feier des Heiligen Abendmahls verbunden. Dies sei in den Leitlinien kirchlichen Lebens der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands (VELKD) deutlich formuliert. Gewissensnöte ihrer Mitglieder nehme die sächsische Landeskirche sehr ernst: „Wir wünschen uns jedoch, dass sich Christen und Christinnen innerhalb unserer Landeskirche und in den Kirchgemeinden auf die Suche nach Antworten auf ihre mit tiefem Ernst gestellten Fragen begeben.“ So sei jeder eingeladen, sich an dem in der sächsischen Landeskirche stattfindenden Gesprächsprozess zum Schrift- und Kirchenverständnis als Gemeindemitglied zu beteiligen. Mit dieser Einladung bringe die Leitung der Landeskirche ihren Respekt denen gegenüber zum Ausdruck, die ihre Gewissensnöte aus der Schrift begründen.

Kontra: Taufe gewährt ein „untilgbares Prägemal“

Einen anderen Standpunkt vertritt der emeritierte Theologieprofessor Günter R. Schmidt (Erlangen). Durch Taufe und Glaube werde ein Mensch Teil der weltweiten Gemeinschaft der Christusgläubigen – „der heiligen christlichen Kirche, die er im apostolischen und im nizänischen Credo bekennt“. Die von Gott gewährte Beziehung zu ihm und zur Glaubensgemeinschaft sei unverlierbar: „Die theologische Tradition spricht davon, dass die ordnungsgemäß vollzogene Taufe einen ‚character indelebilis’, ein ‚untilgbares Prägemal’, verleiht.“ Die Gemeinde am Ort sei der Kirche des Glaubensbekenntnisses in dem Maße verbunden, wie in ihr „Gottes Wort rein gelehrt und die Sakramente einsetzungsgemäß verwaltet werden“ (Augsburger Bekenntnis VII). Schmidt: „Ortsgemeinde und Landeskirche sind gleichzeitig weltliche Organisationen, aus denen man austreten kann, ohne die Zugehörigkeit zur Kirche des Credo zu verlieren.“ Für Kirchenaustritte gebe es schäbige und ernsthafte Motive. Zu den schäbigen zählten etwa die Weigerung, die Kirchenorganisation finanziell mitzutragen, oder der Ärger über einzelne Amtsträger oder Maßnahmen. Ein ernsthafter Grund liege vor, wenn ein Christ schrift- und bekenntnisgemäße Lehre und Sakramentsverwaltung durch Maßnahmen kirchenleitender Instanzen in Frage gestellt sehe und das Scheitern aller Versuche erlebe, solche Maßnahmen aufzuhalten oder rückgängig zu machen. Die Organisation moralisch und finanziell mitzutragen, werde damit für ihn zu einer Gewissensfrage, die er nach ernsthafter Selbstprüfung durch seinen Kirchenaustritt beantworte. Schmidt: „Er weiß, dass er von Wort und Sakrament lebt. Deshalb möchte er in einzelnen Gemeinden, wo er schriftgemäße Lehre und Sakramentsverwaltung gewährleistet sieht, am Abendmahl teilnehmen. Ihn davon auszuschließen, wäre ein schreiendes Unrecht. Deshalb obliegt es dem Pfarrer, die Motive von Ausgetretenen, die das Abendmahl begehren, zu prüfen und individuell zu entscheiden.“

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