26. Januar 2022

Politiker streiten um Karfreitagsruhe

Quelle: idea.de

Foto: imago

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Düsseldorf/Frankfurt am Main/Bremen (idea) – Um die Ruhe am Karfreitag ist politischer Streit entbrannt. Der Tag, an dem der Kreuzigung Jesu gedacht wird, gehört wie etwa auch der Ewigkeitssonntag (Totensonntag) und der Volkstrauertag zu den „stillen Feiertagen“. An ihnen gilt in allen Bundesländern ein Tanzverbot. In Nordrhein-Westfalen, Hessen und Bremen ist eine heftige Diskussion darüber entstanden, ob das noch zeitgemäß ist. Gegner des Tanzverbots argumentieren damit, dass praktizierende Christen inzwischen eine Minderheit bildeten.
 

Grünen-Politiker: Christen vermiesen anderen den Abend

In Nordrhein-Westfalen erklärte der Landesvorsitzende der Grünen, Sven Lehmann (Düsseldorf): „Es kann nicht sein, dass die Minderheit der Leute, die christlichen Glauben aktiv praktiziert, der Mehrheit vorschreibt, wie sie den Tag zu verbringen hat, und ihr durch das Verbot bestimmter Veranstaltungen den Abend vermiest.“ Wie er der Rheinischen Post saqte, passten solche Vorschriften nicht mehr in die Zeit. Widerspruch erhielt Lehmann aus der eigenen Partei. Die Parlamentarische Geschäftsführerin im Landtag, Sigrid Beer (Düsseldorf), entgegnete: „Am Feiertagsgesetz ist keine Änderung vorgesehen.“ Das bestätigte Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD). „Eine Änderung des Feiertagsgesetzes wird es mit mir nicht geben“, sagte sie der Rheinischen Post. Der Feiertagsschutz dürfe nicht weiter ausgehöhlt werden. So hat die Landesregierung die Bezirksregierung Düsseldorf angewiesen, eine Aufführung der Komödie „Der lustige Witwer“ im Düsseldorfer Theater an der Kö und ähnliche Veranstaltungen am Karfreitag zu unterbinden.

Ordnungsdezernent: Da bleibt kein Spielraum

Auch in Hessen begründet eine Grünen-Politikerin ihre Kritik am Tanzverbot mit der abnehmenden Zahl der Kirchenmitglieder. Das Verbot sei „nicht zeitgemäß“, sagte die Grünen-Landtagsabgeordnete Sarah Sorge (Frankfurt am Main). Sie finde eine solche Regelung „absurd“. Die Stadt Frankfurt will mit Bußgeldern gegen Diskotheken vorgehen, die das Tanzverbot missachten. Man habe Mahnungsschreiben an die Besitzer von Discos und Clubs verschickt, bestätigte Ordnungsdezernent Volker Stein (FDP) und ergänzte unter Verweis auf die gesetzlichen Regelungen: „Ich habe da überhaupt keinen Spielraum.“ Rückendeckung bekam er vom Stadtkämmerer und Kirchendezernenten Uwe Becker (CDU): „Unser christlich-jüdisch geprägtes Werteverständnis stellt das Fundament unserer abendländischen Gesellschaft in Deutschland dar.“ Es könne „nicht darum gehen, dem Zeitgeist nachzulaufen, sondern darum, der Zeit Geist zu geben“.

Tanzverbot nur an christlichen Feiertagen aufheben

In Bremen will der Kommunalpolitiker Maurice Mäschig (SPD) mit einer Petition an die Bürgerschaft eine Aufhebung des Tanzverbot an den christlichen stillen Feiertagen Karfreitag und Ewigkeitssonntag (Totensonntag) erreichen. Um den staatlichen Volkstrauertag geht es dem 25-Jährigen nicht. Er sieht keine negativen Folgen: „Wäre das Tanzen an allen Tagen erlaubt, so hätte dies keine Auswirkungen auf die Religionsausübung derjenigen, die aufgrund ihres Glaubens an den genannten Tagen nicht tanzen möchten.“ Bisher haben sich der Petition im Internet rund 500 Bürger angeschlossen.

Andacht und Stille brauchen schützenden Rahmen

Die Landeskirchen in den betroffenen Bundesländern kritisieren die Vorschläge zur Abschaffung der Feiertagsruhe. „Wer die Aufhebung der besonderen Feiertagsruhe am Karfreitag propagiert, fordert nichts anderes als mehr Werktage“, erklärte der Präses der rheinischen Kirche und EKD-Ratsvorsitzende, Nikolaus Schneider (Düsseldorf). Ohne ihren prägenden Inhalt würden Feiertage verzichtbar. Dann seien letztlich auch Ostermontag, Pfingstmontag und Weihnachten aus dem Kalender zu streichen. Der Theologische Kirchenrat der Lippischen Landeskirche, Tobias Treseler, stellte fest: „Andacht und Stille brauchen einen schützenden Rahmen: Darum muss der Karfreitag staatlicher Feiertag bleiben und muss die Feiertagsruhe strikt beachtet werden.“ Für die Bremische Evangelische Kirche sagte deren Sprecherin, Sabine Hatscher, das Tanzverbot am Karfreitag und am Ewigkeitssonntag nehme Rücksicht auf Menschen, die ihrer Verstorbenen gedenken. Die Sprecherin der katholischen Kirche in Bremen, Martina Höhns, wies darauf hin, dass der Karfreitag besonders mit dem Leiden und dem Tod Jesu Christi verbunden sei. Auch von Menschen, die diese Bedeutung ablehnen, könne man Rücksicht auf jene erwarten, denen Ruhe und Besinnung wichtig seien.