30. Juni 2022

In Windeseile durchgepeitscht

Quelle: jungefreiheit.de

Die Journalistin und Buchautorin Birgit Kelle, Foto: Thomas Schneider/agwelt

von Birgit Kelle

Als im Jahr 2013 das Bundesverfassungsgericht die steuerliche Gleichstellung von homosexuellen Lebenspartnerschaften mit der Ehe beschloß, frohlockte der grüne Schwulenvorkämpfer Volker Beck in die Kameras der Nation, wir würden „gut von Karlsruhe regiert“. Nach den politischen Regenbogenfestspielen der vergangenen Woche kann man im Jahr 2017 nur noch still in sich hineinseufzen, daß damals die Entscheidung zumindest vor dem Bundesverfassungsgericht und somit vor einer höchstrichterlichen Instanz fiel.

Denn gerade wurde eine der weitreichendsten Entscheidungen über die Grundfeste unserer Gesellschaft nicht nur sprichwörtlich zwischen den Stühlen gefällt, sondern tatsächlich auf den Sesseln des Frauenmagazins Brigitte, auf denen die Kanzlerin bei Plauderei über Frau, Karriere und emanzipiertes Wäscheaufhängen mal eben den Weg für die Abstimmung über die Gleichstellung homosexueller Lebensgemeinschaften mit der Ehe im Bundestag ebnete.

Vier Tage zwischen Brigitte-Sofa und Plenum

Gut, ein paar Naivlinge werden immer noch daran glauben, daß das alles so nicht gewollt war von Angela Merkel und daß die SPD die CDU nun mit der eingeforderten Abstimmung überrumpelt habe. Ich halte die Kanzlerin schlicht für deutlich raffinierter und klüger, als daß ich mich mit diesem Märchen für die Annalen der Parteichronik weiter aufhalten will.

Und nun stellt sich nur noch die Frage, was eigentlich besorgniserregender ist? Die Geschwindigkeit, mit der der Bundestag am vergangenen Freitag gleich zwei wichtige Entscheidungen, die beide eine eigenständige, ausführliche und ernsthafte Debatte verdient hätten, in Windeseile durchgepeitscht hat? Vier Tage zwischen Brigitte-Sofa und Plenum, und in einer guten halben Stunde war die Nicht-Debatte des Bundestages vorbei.

Union übersättigt in Erwartung des Wahlsiegs

Oder doch die Widerstandslosigkeit einer CDU/CSU-Fraktion, die sich in übersättigter Erwartung eines nahezu sicheren Wahlsieges im Herbst nicht dazu aufraffen konnte, wenigstens anstandshalber vorzutäuschen, man habe um die Sache gerungen, oder darum gekämpft? Gehen Sie weiter, es gibt nichts zu sehen.

Machen wir uns also nichts vor: Für weite Teile der Unions-Abgeordneten, selbst für diejenigen, die am Freitag zumindest mit einem „Nein“ zur sogenannten „Ehe für alle“ gestimmt haben, ist dies Thema, das den konservativen Teil der Gesellschaft bewegt, schlicht nicht kriegsentscheidend. Kein Grund für einen Aufstand. Kein Grund für die Prinzipienfrage oder gar ein Gedanke daran, daß man via Parteitagsbeschluß hier einen anderen Auftrag aus den eigenen Reihen besitzt.

Kein Heiratsboom unter Homosexuellen

Und genau das ist der Unterschied zum politischen Gegner der Union in dieser Sache. In Kindergartenmanier feierten die grünen Linksspießer im Bundestag bis in den Abend mit Torte und Konfetti diesen demokratisch bedenklichen Tag, es fehlte nur noch eine Polonaise durch die Bankreihen. Sie hatten nämlich mehr zu feiern als das Recht auf Trauringe für eine Handvoll Homo-Paare, es war das Niederwerfen des Gegners, das dem Tag das I-Tüpfelchen verlieh.

Denn realistisch betrachtet wird es auch nach der Öffnung der Ehe nicht zu einem Heiratsboom unter Lesben und Schwulen kommen. Die Mehrheit dieser Minderheit will ja gar nicht heiraten. Die meisten nutzten auch bislang nicht einmal die bisherigen rechtlichen Möglichkeiten der legalen Verpartnerung, weil sie es gar nicht wollen. Sondern nur das schriftlich verbriefte Recht dazu.

Es geht um Prinzipienreiterei

Die wenigsten wollen zudem das nun automatisch folgende Adoptionsrecht, weil der Herzenswunsch nach einem Kind so groß sei. Sondern nur das verbriefte Recht dazu. Wir reden nicht über menschliche Nöte, die hier durch angebliche Diskriminierung entstehen, sondern über Prinzipienreiterei. Immerhin haben die welche, könnte man allenfalls zynisch hinterherwerfen.

Sicher, die Ausnahmen kennen wir alle. Das nette schwule Paar, das seit gefühlt hundert Jahren zusammen ist und sich ehrlich liebt. Ich rede über die Ekelpakete an der vorderen Front.
Zerstörungswut gegen bestehende Normen

Es agiert eine lautstarke, aggressive und zudem diskursunfähige und kreischige Minderheit in lustvoller Zerstörungswut gegen bestehende Normen. Ziel ist kein friedliches Miteinander unterschiedlicher Standpunkte, sondern das Brechen der Mehrheitsmeinungen. Es geht um die Auflösung von Privilegien für die naturrechtliche Familie aus Vater, Mutter und Kindern.

Nicht umsonst diskutiert man bereits jetzt über eine Änderung des Abstammungsrechtes, das eine direkte Verwandtschaft von Kindern und Eltern zu einer Frage von Selbstdefinitionen machen würde. Es geht um die Zerstörung der Grundfeste unserer Gesellschaft.

Privilegien für alle bedeutet Privilegien für niemanden

Gerne wird an dieser Stelle das Argument in den Raum geworfen, man nehme den heterosexuellen Familien und auch der Ehe doch nichts weg, wenn die Ehe nun auch für andere Paare möglich werde. Ich nehme an, diese Phrasendrescher sind entweder selbst zu dämlich oder halten uns alle dafür. Denn Privilegien für alle bedeuten Privilegien für niemanden. Was jeder haben kann, ist kein Privileg, sondern das Prinzip Gießkanne.

Nun wird die Angelegenheit „Homo-Ehe“ vermutlich in einem Normenkontrollverfahren wieder einmal in Karlsruhe landen und dort entschieden werden. Denn es ist juristisch ziemlich offensichtlich, daß der Bundestag nicht mit einfachem Gesetz das bisherige Eheverständnis des Grundgesetzes und auch die ständige Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichtes in diesem Punkt kurzerhand wegwischen kann. Es wird schon eine Grundgesetzänderung und somit eine Entscheidung mit Zweidrittelmehrheit im Bundestag vonnöten sein.

Geben Sie sich aber bitte keiner Illusion hin. Egal, ob ab September Rot-Rot-Grün oder Schwarz-Gelb politische Realität wird. Ohne Prinzipien regiert im Bundestag der Regenbogen.

JF 28/17