20. Mai 2022

«Aus welchem Grund werden sie getötet?»

Quelle: factum

Ein auch auf islamischer Seite respektierter Kirchenführer Libanons erhebt unter dem Eindruck des weitgehend christenfeindlichen Wütens im Irak und Syrien warnend die Stimme: Der 91-jährige griechisch-orthodoxe Metropolit Georges Khodre von Jbail (Byblos) sieht sich dazu gedrängt, da dieser islamistische Flächenbrand auch auf sein Land übergreift. In einem Artikel in der führenden libanesischen Tageszeitung An-Nahar (Der Morgen) beklagt er die Gleichgültigkeit von religiösen und politischen Führern der Muslim-Welt im Angesicht unsagbaren Leidens der nahöstlichen Christen.

(29. September 2014/hg.) – Metropolit Georges wehrt sich gegen die Ansicht, die Christen des Irak und Syriens wären einfach Opfer der dortigen Bürgerkriege wie andere auch. Das könne nur für die Kriegsparteien gelten: «Die Christen von Mossul und der ganzen Region haben aber mit diesen Auseinandersetzungen nichts zu tun. Wir fragen daher: Aus welchem Grund werden sie getötet oder aus ihrer Heimat vertrieben?»

Besonders das Töten von Christen im Irak dürfe uns keine Ruhe mehr lassen, schreibt der Metropolit des Patriarchats von Antiochia. Es könne ebenso wenig als Beschwichtigung dienen, dass «Islamischer Staat», Al-Qaida und andere auch Nichtchristen und sogar Muslime umbringen. Es sei den Christen zwar von Jesus verboten, sich zu rächen, der Gewalt selbst Gewalt entgegenzusetzen: «Doch als Christ kann ich genauso wenig akzeptieren, dass Menschen wegen ihres Glaubens getötet werden!» Das Morden an den irakischen Christen habe ein einziges Ziel: in der ganzen Region alles Christliche auszutilgen.

«Ich kenne keinen Muslim in Libanon, der gegen die Scheusslichkeiten im Irak protestiert hätte.» Das sei ein tödliches Schweigen. «Du fühlst dich als Fremdkörper. Meine Gläubigen fragen mich: ‹Sind nach dem Irak und Syrien wir libanesischen Christen an der Reihe?›» Metropolit Georges möchte sie gern beruhigen: «Libanons Muslime leben in friedlicher Koexistenz mit uns Christen! … Doch wo immer der Islam Gelegenheit sieht, die Herrschaft an sich zu reissen, tut er das global mit grosser Zielstrebigkeit.»

Darauf stellt Khodre die Frage: «Können sich auf dem Boden des Islam überhaupt freie Gesellschaften bilden, die offen für alle religiösen und weltanschaulichen Überzeugungen, die duldsam zu allen Menschen sind?» Abschliessend erklärt Metropolit Georges Khodre: «Ich habe nicht mehr die Geduld, ewig zuzuwarten, bis mir der Islam das körperliche und geistliche Existenzrecht als Mensch und Christ zugesteht!»