20. Mai 2022

Dutzende Tote bei Ausschreitungen in Kiew

Quelle: jungefreiheit.de

Platz der Unabhängigkeit in Kiew vor dem Machtkampf. Foto: Helga Ewert/pixelio.de

KIEW. Bei den blutigsten Unruhen in der Ukraine seit der Unabhängigkeitserklärung des Landes 1991 sind nach offiziellen Angaben vom Mittwoch 25 Menschen ums Leben gekommen. Bei der Eskalation des Machtkampfes am Dienstag wurden bei Zusammenstößen zwischen Sicherheitskräften und randalierenden Demonstranten darüber hinaus viele Hundert Menschen verletzt. In einem Kloster sollen nach Medienberichten noch zahlreiche Leichen aufgebahrt sein. Polnische Medien spekulierten über eine Zahl von 60 Toten als Ergebnis der vergangenen Nacht. Mehrere russische Zeitungen machten radikale Oppositionskräfte für die Eskalation sowie für Entführungen, Folterungen und Morde verantwortlich.

Unterdessen läßt der Widerstand der Regierungsgegner nicht nach. Schon am Morgen nach der Gewaltnacht versammelten sich wieder Tausende auf dem zentralen Platz der Unabhängigkeit in Kiew, dessen versuchte Räumung durch Polizeisondereinheiten am Dienstag abend offenbar scheiterte. Die Feuerwehr rettete am Vormittag 41 Personen aus dem brennenden Haus der Gewerkschaften.

Auch in den westlichen Gebietshauptstädten kam es zu Gewalttaten. In Lemberg und Iwano-Frankiwsk wurden wie schon im Januar Verwaltungsgebäude der Regionalregierung von oppositionellen Demonstranten eingenommen. In Ternopil soll der Sitz der Staatsanwaltschaft gestürmt und die Polizeihauptwache in Brand besetzt worden sein. Alle drei Gebietshauptstädte sind Hochburgen der rechtsnationalistischen Partei „Swoboda“.

Polen bereitet sich auf Flüchtlingsansturm vor

Ein nächtliches Krisengespräch der Chefs der drei größten Oppositionsparteien mit Staatspräsident Wiktor Janukowitsch verlief ergebnislos. Janukowitsch warf der westlich ausgerichteten Opposition vor, verfassungswidrig nach der Macht greifen zu wollen. Diese hätte die „Grenzen überschritten“. Klitschko äußerte nach dem Treffen, die Verhandlungen über eine Normalisierung der Lage im Lande seien gescheitert.

Polens Premierminister Donald Tusk rief am Mittwoch vormittag die Ukrainer auf, einen Kompromiß zu suchen. Er warnte vor „fortschreitender Anarchie“ und der „Gefahr eines Staatszerfalls“ oder eines heißen Bürgerkrieges, „dessen erste Stunden wir vielleicht gerade in Kiew beobachten“. Polen war treibende Kraft im EU-Nachbarschaftsprojekt der Östlichen Partnerschaft. Er kündigte an, sich bei den Partnern in der EU um Sanktionen gegen die ukrainische Regierung zu bemühen, berichtete die polnische Tageszeitung Rzeczpospolita.

Gleichzeitig informierte Tusk, Polen sei auf die Aufnahme von Verletzten und Flüchtlingen aus der Ukraine „gut vorbereitet“. Die an die Ukraine grenzenden Woiwodschaften „sind vorbereitet auf verschiedene Szenarien an der polnisch-ukrainischen Grenze“. (ru)