28. Januar 2022

Ehescheidung unter kirchlichen Amtsträgern?

Quelle: gemeindenetzwerk.org

Hirtenamt und Lebenszeugnis
Zur Frage der Ehescheidung kirchlicher Amtsträger

1. Angesichts der unvermindert hohen Scheidungsrate in unserem Land gehört es zum Vorrecht der christlichen Gemeinde, den hohen Wert der Ehe als lebenslanges Treuebündnis zwischen Mann und Frau vorzuleben und zu bezeugen. Keine andere zwischenmenschliche Institution ist in der Lage, so viele Grunderfahrungen an gegenseitiger Fürsorge und gemeinsamer Krisenbewältigung sowie von Heimat, Treue und Geborgenheit zu vermitteln wie die Ehe. Christen wissen, daß sich in der Ehe das Treueverhältnis Christi zu seiner Gemeinde abbildet (Eph. 5,32). Dieses Wissen gibt ihnen Hoffnung und Kraft, auch in schwierigen Zeiten an ihrer Ehe festzuhalten, aber es überträgt ihnen auch Verantwortung, mit Gottes Hilfe ihre Ehen immer wieder zu stärken.

2. Für verheiratete Christen gilt das Gebot Jesu, daß sie ihre Ehe nicht scheiden sollen (1. Kor. 7,10f.). Das neutestamentliche Scheidungsverbot erscheint heute vielen als hartherzig bzw. zu streng. Aber es beruht auf der Sichtweise Jesu, daß Gott die Ehe gestiftet und lebenslang angelegt hat. „Was Gott zusammengefügt hat, soll der Mensch nicht scheiden“ (Mt. 19,6). Jesus läßt für seine Nachfolger nur einen einzigen Grund für die Ehescheidung gelten, und zwar wenn „der Fall von Unzucht“ vorliegt, womit vor dem jüdischen Hintergrund des Matthäusevangeliums wahrscheinlich eine Ehe innerhalb enger Verwandtschaftsgrade gemeint ist (Mt. 5,32; 19,9). Wer die Ehe nicht als göttliche Stiftung, sondern nur als einen zwischenmenschlichen Vertrag ansieht, wird sie grundsätzlich auch als scheidbar ansehen. Christen dürfen jedoch die Sicht Jesu annehmen und eine Ehescheidung für sich ausschließen.

3. Die zunehmenden Ehescheidungen in christlichen Gemeinden, auch unter kirchlichen Amtsträgern, sind ein Warnsignal, das deutlich auf fehlende Eheseelsorge hinweist. Wer sich in einer Ehekrise befindet, braucht umfassende und kompetente Hilfe. Oft ist in Krisen der Blick auf Jesus Christus verdunkelt. Da gilt es dann, ihn als den Herrn, welcher der Weg ist, neu zu begreifen und anzunehmen. Es ist nicht die Aufgabe der christlichen Gemeinde, Scheidungswillige in ihrer Absicht zu bestärken, sondern im Gegenteil, ihnen Mut zu machen, an ihrer Ehe festzuhalten und die Ursachen der Ehekrise zu beseitigen. Dabei kann auch eine vorübergehende Trennung erwogen werden. Vor allem ist es die vorrangige geistliche Pflicht der Gemeinde, für Ehen in Krisensituationen Fürbitte zu tun und ihnen beizustehen.

4. Kirchliche Amtsträger, zumal im Bischofsamt, sind Vorbilder für die Gemeinde. Wenn sie ihre Ehe scheiden lassen, schaden sie der Gemeinde, weil sie den Stiftungscharakter der Ehe verletzen. Sie schaden ihrem Dienst, weil sie bei Trauungen die biblische Sicht von der lebenslangen Dauer der Ehe nicht glaubwürdig bezeugen können. Und sie schaden der Berufung der Gemeinde, als Lichter in der Welt zu leuchten (Phil. 2,15). Andererseits ist es eine starke Ermutigung für die Gemeinde, ein wichtiger Beitrag für die Glaubwürdigkeit des pastoralen Dienstes und ein deutliches Signal für die Welt, wenn sie sich nach durchstandener Krise wieder neu zu ihrer Ehe bekennen oder, falls die Scheidung schon erfolgt sein sollte, einander wieder heiraten. Jede geheilte Ehe, zumal von Amtsträgern, ist in unserer Welt ein starkes Zeugnis für die Kraft des christlichen Glaubens.