28. Januar 2022

Libyen: Angst um Christen wächst

Quelle: ead.de

Nach dem blutigen Anschlag islamischer Extremisten auf das US-Konsulat in der libyschen Stadt Bengasi wächst die Sorge um die christlichen Minderheiten in Nordafrika und dem Nahen Osten. Führende muslimische, jüdische und christliche Repräsentanten – darunter die Weltweite Evangelische Allianz – haben die religiös motivierte Gewalt scharf verurteilt.

Bengasi/Washington (idea) – Nach dem blutigen Anschlag islamischer Extremisten auf das US-Konsulat in der libyschen Stadt Bengasi wächst die Sorge um die christlichen Minderheiten in Nordafrika und dem Nahen Osten. Führende muslimische, jüdische und christliche Repräsentanten – darunter die Weltweite Evangelische Allianz – haben die religiös motivierte Gewalt scharf verurteilt. Gleichzeitig lehnen sie extrem islamkritische Schmähfilme ab wie den, der die Gewalt ausgelöst haben soll.

Mohammed als Betrüger und Frauenheld dargestellt

Am elften Jahrestag der Terroranschläge vom 11. September in den USA hatten schwer bewaffnete islamische Extremisten in einer offenbar systematisch geplanten Attacke das US-Konsulat in Bengasi angegriffen. In einem vierstündigen Feuergefecht kamen US-Botschafter J. Christopher Stevens und drei weitere Botschaftsangehörige ums Leben. Inzwischen haben sich anti-westliche Demonstrationen in weiteren Ländern der Region ausgebreitet, so in Ägypten, Tunesien und im Jemen. Auslöser soll ein im Internet veröffentlichter 14-minütiger Film sein, der den Propheten Mohammed als Betrüger, Homosexuellen und Schürzenjäger mit anstößigen Sexualpraktiken darstellt. Der in Kalifornien produzierte Streifen „Innocence of Muslims“ (Die Unschuld der Muslime) soll von einem Juden mit dem Decknamen „Sam Bacile“ hergestellt worden sein, der den Islam als „Krebsgeschwür“ bezeichnet. Ein koptisch-orthodoxer Ägypter namens Nakoula Basseley soll als Manager bei dem Projekt mitgewirkt haben.

Terry Jones: Islam für Gewalt verantwortlich

Für den Film geworben hat der umstrittene US-Prediger Terry Jones. Der Pastor der Gemeinde Dove World Outreach Center (Taube-Weltmissionszentrum) in Gainesville (Bundesstaat Florida) hatte unter anderem durch angekündigte Koran-Verbrennungen am zehnten Jahrestag der Anschläge vom 11. September weltweit Aufsehen und blutige Proteste von Muslimen ausgelöst. Jones war bis 2008 mehr als 20 Jahre in Köln tätig. Wegen unhaltbarer theologischer Aussagen und Geltungssucht gab ihm seine Gemeinde den Laufpass. Der Prediger macht den Islam für die jüngste Gewalt verantwortlich. In dieser Religion gebe es keine Toleranz oder Meinungsfreiheit.

Weltallianz verurteilt Gewalt und Schmähvideo

Die Weltweite Evangelische Allianz (WEA) – Dachorganisation von rund 600 Millionen Evangelikalen – distanzierte sich von den anti-islamischen Aktionen des Predigers. Generalsekretär Geoff Tunnicliffe (New York) verurteilte jetzt das „verleumderische und beleidigende Video“. Die WEA lehne jede Schmähung anderer Religionen und ihrer Anführer strikt ab. Gleichzeitig könne es aber auch keine Rechtfertigung für Gewalt geben: „Wir stehen Seite an Seite mit unseren christlichen Geschwistern in mehrheitlich islamischen Ländern, die sowohl das Video wie auch die auf seine Veröffentlichung folgende Gewalt verurteilen.“ Am 14. September wird sich in Washington eine Konferenz des Zusammenschlusses „Evangelikale für den Frieden“ mit religiös motivierter Gewalt und der „Verantwortung der Christen im 21. Jahrhundert“ beschäftigen.

US-Kirchenrat: Juden, Christen und Muslime glauben an Gottes Liebe

Ähnlich wie die WEA äußerten sich auch andere Vertreter von Christenheit, Judentum und Islam. Der Vatikan erklärte, dass man dem Glauben, den Schriften, Symbolen und Persönlichkeiten verschiedener Religionen mit Respekt begegnen müsse. Dies sei eine entscheidende Voraussetzung für das friedliche Zusammenleben der Menschen. Diese Botschaft werde Papst Benedikt XVI. auch bei seiner am 14. September beginnenden Reise in den Libanon verkünden. Der Nationale Kirchenrat der USA, in dem evangelische, anglikanische und orthodoxe Kirchen vertreten sind, verurteilte Gewalt als „Hohn und hirnlose Ablehnung der historischen Grundlagen von Islam, Judentum und Christentum, die auf Gottes Liebe und friedlicher Anerkennung aller Menschen gründen“. Auch der Präsident der Islamischen Gesellschaft Nordamerikas, Imam Mohammed Magid, und der Direktor des Religiösen Zentrums des Reformjudentums, Rabbi David Saperstein, geißelten die Anschläge. US-Präsident Barack Obama lehnt jede Verunglimpfung des Islam ab; gleichzeitig dürfe es aber auch keine Rechtfertigung für Gewalt gegen Unschuldige geben. Er verlangte die rasche Festnahme und Bestrafung der Täter. Angesichts der zunehmenden Spannungen in Nordafrika hat er zwei Kriegsschiffe in die Region entsandt.

Hilfswerk: Christen zunehmend unter Druck

Der US-Zweig des Hilfswerks für verfolgte Christen „Open Doors“ (Santa Ana/Kalifornien) befürchtet, dass die Christen in islamischen Ländern zunehmend unter Druck geraten und weiter an den Rand gedrängt werden. Muslimische Fanatiker setzten die USA mit dem Christentum gleich, sagte Open-Doors-Sprecher Michael Wood der Internet-Zeitung Christian Post. Damit gerieten Christen etwa in Libyen und Ägypten in die „Schusslinie“. Aufgrund massiver Drohungen hat der britische Fernsehsender „Channel 4“ (London) die Wiederholung einer Dokumentation über die Geschichte des Islam abgesetzt. Der Zeitung Daily Telegraph (London) zufolge waren nach der Erstausstrahlung mehr als 1.000 Beschwerden eingegangen. Autor Tom Holland hatte im Internet Drohbotschaften erhalten.