21. Mai 2022

Was tun, wenn Gott beleidigt wird?

Quelle: idea.de

Der Philosoph Robert Spaemann spricht sich für ein Blasphemieverbot aus. Foto: Jörg Noller

Blasphemie wird in Deutschland in der Regel kaum noch strafrechtlich verfolgt. Um die Frage, wie Gotteslästerung bestraft werden sollte, ist allerdings eine neue Diskussion entbrannt. Jetzt meldet sich der Philosoph Robert Spaemann in der Debatte zu Wort.

Frankfurt am Main (idea) – Um die Frage, ob Gotteslästerung bestraft werden sollte, ist eine neue Diskussion entbrannt. Blasphemie wird in Deutschland in der Regel kaum noch strafrechtlich verfolgt. Religiöse Beleidigung ist nur dann strafbar, wenn sie den öffentlichen Frieden gefährdet. Für die Bestrafung von Gotteslästerung hat sich einer der renommiertesten deutschen Schriftsteller ausgesprochen: Martin Mosebach (Frankfurt am Main), Träger des Georg-Büchner-Preises. Jetzt äußert sich dazu einer der bekanntesten Philosophen: Robert Spaemann (Stuttgart) vertritt die Meinung, dass der säkulare Staat zwar nicht die Beleidigung Gottes unter Strafe stellen darf, wohl aber die Beleidigung der religiösen Gefühle seiner Bürger. Spaemann wie auch Mosebach verweisen darauf, dass das Grundgesetz auf christlichen Fundamenten ruhe; der Staat müsse daher ein Interesse an ihrem Schutz haben. In einem Mitte Juni veröffentlichten Aufsatz schrieb Mosebach: „Hier läge eine Pflicht des Staates begründet, jenen Gott, auf dessen Geboten er seine sittliche Ordnung aufbauen will, vor Schmähung zu bewahren, die dieser sittlichen Ordnung auf Dauer den Respekt entziehen würde.“ Der Katholik bedauert, dass heute die Meinung mehrheitsfähig sei, Christen müssten die Beleidigung ihres Glaubens klaglos hinnehmen.

Spaemann: Beleidigung ist strafbar

Dieser Ansicht schließt sich auch Spaemann an. Er macht jedoch einen Unterschied: Es gehe nicht um die Strafverfolgung der Beleidigung Gottes, sondern der Bürger, denen Gott heilig ist. Das Strafmaß sollte etwa das Doppelte dessen betragen, was auf die Beleidigung von Menschen steht, schreibt der Katholik in einem am 26. Juli in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlichten Artikel.

Genießt nur der Islam Gesetzesschutz?

Da Gotteslästerung nur dann strafbar sei, wenn sie den öffentlichen Frieden gefährde, genieße in Deutschland faktisch nur noch die islamische Religion den Schutz des Gesetzes, nicht aber die christliche. Spaemann: „Denn Christen reagieren auf Beleidigung nicht mit Gewalt, Muslime aber wohl – und keineswegs nur Islamisten“. In einer muslimischen Theokratie müsse die Beleidigung Gottes mit der Höchststrafe geahndet werden. Christen hätten vor jeher dem Staat das Gewaltmonopol zuerkannt, aber dann auch auf dessen Schutz gehofft.

Bürger vor Verunglimpfung des Heiligsten schützen

Zwar schließe auch das Christsein die prinzipielle Bereitschaft ein, das Bekenntnis zu Gott und zu Jesus mit dem Tode zu bezahlen – aber mit dem eigenen, nicht mit dem eines anderen. Spaemann: „Darum hat der Tatbestand der Blasphemie in unserem Strafrecht keinen Platz.“ Denn es gehe im säkularen Recht nicht um Gott sondern um Menschen – aber eben auch um Menschen, denen Gott heilig ist. Sie würden durch Religionsbeleidigung schwerer und tiefer beleidigt, als wenn ihre eigene Person in den Schmutz gezogen werde. Spaemann: „Ein Staat, der seine Bürger nicht gegen die Verunglimpfung dessen, was ihnen das Heiligste ist, schützt, kann nicht verlangen, dass diese Menschen sich als Bürger ihres Gemeinwesens fühlen.“

Staat muss geistige Grundlagen pfleglich behandeln

Laut Spaemann ist es bisher eine offene Frage, wie der säkulare Staat mit den Werten und geistigen Grundlagen umgehen soll, ohne die er nicht leben kann: „Muss er sie, gegebenenfalls gegen besseres Wissen, ignorieren? Oder sollte er sie pflegen, fördern und privilegieren?“ Die christliche Religion gehöre zu den wichtigsten Wurzeln der hiesigen Zivilisation. Sogar das Grundgesetz spreche in der Präambel von der „Verantwortung vor Gott“. Der Staat müsse seine ungeschriebenen Voraussetzungen pfleglich behandeln. Das schließe einen wirksamen Gesetzesschutz ein. Spaemann: „Dennoch beschränkt sich die Religionsgesetzgebung aus guten Gründen auf den Schutz der Gefühle der Gläubigen, nicht auf den Gegenstand dieser Gefühle.“