28. Mai 2022

Religiös begründete Beschneidung verbieten?

Quelle: idea.de

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Mit viel Kritik haben Juden und Muslime auf ein Urteil des Landgerichts Köln reagiert, nach dem eine religiös motivierte Beschneidung als Körperverletzung strafbar ist. Wie bewerten christliche Experten den Richterspruch? Zwei Juristen nehmen im Wochenmagazin „ideaSpektrum“ kontrovers Stellung.

Wetzlar (idea) – Mit viel Kritik haben Juden und Muslime auf ein Urteil des Landgerichts Köln reagiert, nach dem eine religiös motivierte Beschneidung als Körperverletzung strafbar ist. Die Mitte Juni veröffentlichte Entscheidung ist inzwischen rechtskräftig. Wie bewerten christliche Experten den Richterspruch? Zwei Juristen nehmen in Beiträgen für das evangelische Wochenmagazin „ideaSpektrum“ (Wetzlar) in der Rubrik „Pro & Kontra“ Stellung.

Hinter das Urteil stellt sich der Fachanwalt für Familienrecht, Ingo Friedrich (Babenhausen bei Darmstadt), der sich in der Vereinigung „Christ und Jurist“ engagiert: „Wir leben in einem Rechts- und – Gott sei Dank – nicht in einem ‚Gottesstaat‘.“ Die Richter seien unabhängig und nur dem Gesetz unterworfen, also keiner Religion. Tatbestandlich stelle Beschneidung eine Körperverletzung dar. Friedrich: „Die Frage ist aber, ob die Eltern als Personensorgeberechtigte hierin einwilligen können, weil ein solcher Eingriff angeblich aus religiösen Gründen dem Kindeswohl dienen soll.“ Das Kindeswohl zu schützen – besonders bei Eingriffen, die nicht umkehrbar sind –, sei auch Aufgabe des Staates. Friedrich zufolge müssen gerade Christen darauf achten, dass die Freiheit der Religionsausübung überall geachtet wird: „Würde das aber auch heißen, dass ich meiner Tochter bei einem schweren Vergehen zur Strafe ein Ohrläppchen abschneiden dürfte, wenn mein Glaube es – ehrlich – so vorsähe?“ Damit Rechtssicherheit entstehe, sei der Gesetzgeber aufgefordert, für Klarheit zu sorgen.

Kirchenrechtler: „Antireligiöse Eiferer“ dürfen nicht triumphieren

Der Leiter des Kirchenrechtlichen Instituts der EKD, Prof. Hans Michael Heinig (Göttingen), gibt dagegen zu bedenken, dass die Beschneidung im Judentum und Islam nicht bloßes Brauchtum, sondern grundlegend für die religiöse Identität sei. So begründe die Beschneidung in allen Spielarten des Judentums die Aufnahme in den Bund mit Gott. Bei der Frage steht laut Heinig viel auf dem Spiel: etwa „das Recht der Eltern, über die religiöse Kindererziehung zu entscheiden, und damit die Annahme, dass die religiöse Beheimatung in der Religion der Eltern grundsätzlich dem Kindeswohl dient“. Wenn in der Frage der Beschneidung das Elternrecht auf religiöse Kindererziehung zurücktrete, triumphierten „antireligiöse Eiferer“. Sie wollten Kinder am liebsten von jedem religiösen Einfluss fernhalten. Heinig: „In dieser Logik kann man auch die Kindertaufe (als ‚Beschneidung der Herzen‘) verbieten. Christen sollten diesem Denken nicht auch noch Vorschub leisten.“