28. Mai 2022

Allianzgebetswoche: „Christen sind welttüchtig, nicht weltflüchtig“

Quelle: idea.de

Foto: M.E./pixelio.de

Kassel (idea) – Mit dem Aufruf, sich durch die Kraft der christlichen Botschaft verändern zu lassen und für das Gemeinwesen einzusetzen, ist die Gebetswoche der Evangelischen Allianz am 15. Januar zu Ende gegangen. Im deutschsprachigen Europa beteiligten sich nach Schätzung der nationalen Allianzen an rund 1.500 Orten über 340.000 Christen – etwa so viele wie im Vorjahr: 300.000 in Deutschland, 40.000 in der Schweiz und 4.000 in Österreich. Die Gebetswoche stand unter dem Motto „Verwandelt durch Jesus Christus“.

Der Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz, Präses Michael Diener (Kassel), sagte zum Abschluss in Kassel, gerade weil Christen um die Herrschaft Gottes wüssten, setzten sie sich für die Gesellschaft ein – auch dann, wenn sie keine mehrheitsfähige Positionen hätten: „Wir sind dankbar für unsere freiheitlich-demokratische Grundordnung und beten für die irdischen Regenten.“ Bei der Allianzgebetswoche tue man besonders Fürbitte für diejenigen, die nicht in demokratischen Verhältnissen leben dürften und um ihres Glaubens willen verfolgt würden. Im Vertrauen auf Gott seien Christen „welttüchtig und nicht weltflüchtig, mutig und hoffnungsvoll“, so Diener, der im Hauptamt Präses des Evangelischen Gnadauer Gemeinschaftsverbandes (Vereinigung Landeskirchlicher Gemeinschaften) ist. Er begrüßte, dass an vielen Orten in Rathäusern und auf öffentlichen Plätzen für Regierende gebetet wurde und sich mancherorts auch Politiker beteiligten.

Kauder: Glaube ist keine Privatsache

Prominentester Teilnehmer war der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU im Deutschen Bundestag, Volker Kauder. Bei einer Veranstaltung in Wuppertal bezeichnete er die Freiheit der Religionsausübung als das existentiellste Menschenrecht. Im Blick auf die Christenverfolgung sagte er: „Wir dürfen nicht zulassen, dass Regionen in der Welt zu christenfreien Zonen gemacht werden.“ Es gehöre zum christlichen Bekenntnis, bedrängten Mitchristen beizustehen. Zugleich wandte sich Kauder dagegen, den christlichen Glauben mehr und mehr aus der öffentlichen Diskussion in Deutschland zu verdrängen: „Kunst, sexuelle Orientierung, alles das ist öffentlich. Und der Glaube: Privatsache.“

Gebet für Verfolgte war ein Schwerpunkt

Der Generalsekretär der Deutschen Evangelischen Allianz, Hartmut Steeb (Stuttgart), zog eine positive Bilanz der Gebetswoche. Das Verständnis für die geistliche Einheit aller Christen über Kirchengrenzen hinweg sei gewachsen. Die Fürbitte für verfolgte Christen in Ländern wie Nigeria, Somalia, Eritrea, Saudi-Arabien, dem Iran und Nordkorea sei ein Schwerpunkt gewesen. Bei den Gebetstreffen habe man ferner die Botschaft von der ewigen Gemeinschaft mit Gott betont: „Nur wer Ewigkeit hat, hat Zeit. Wir brauchen daher in unserer stressgeplagten Welt wieder neu die Ewigkeitsperspektive.“ Erfreut zeigte sich Steeb auch darüber, dass an vielen öffentlichen Orten gebetet worden sei, zum Beispiel im niedersächsischen Landtag, in Rathäusern, Schulen, Sozialeinrichtungen und Straßenbahnen. In immer mehr Kommunen gebe es monatliche „Gebete für die Stadt“.

Gottvergessenheit „würgt das Leben ab“

Der Leiter der evangelistischen Aktion „ProChrist“, Ulrich Parzany (Kassel), warnte bei einem Abschlussgottesdienst in Bielefeld vor den Folgen der Gottvergessenheit: Sie „ist im wahrsten Sinne des Wortes mörderisch. Sie würgt uns das Leben ab“. Parzany rief die rund 600 Besucher zur Mitarbeit an Gottes Mission auf, „damit alle Menschen gerettet werden“. Der frühere CVJM-Generalsekretär wird vom 18. bis 25. März bei einer ProChrist-Evangelisation unter dem Motto „Gott hat uns nicht vergessen“ in Bielefeld sprechen.

Kirchenpräsident: Mehr Glaubenscourage bitte!

Bei der Gebetswoche wirkten auch führende Kirchenrepräsentanten mit. Der Kirchenpräsident der Evangelisch-reformierten Kirche, Jann Schmidt (Leer), ermunterte in Lübeck zu mehr Glaubenscourage im öffentlichen Leben, im Beruf und in den persönlichen Beziehungen: „Als Christen sind wir nur dann glaubwürdig, wenn unser Christsein Alltagskraft hat und nicht in der Festtagsverzierung der Advents- und Weihnachtszeit verharrt.“ Schmidt, der auch dem Rat der EKD angehört, sprach vor rund 600 Besuchern in der baptistischen Friedenskirche. Der Kirchenpräsident der Evangelischen Landeskirche Anhalts, Joachim Liebig (Dessau), hatte in einem Gottesdienst zum Auftakt der Gebetswoche in Dessau gepredigt. Dabei warnte er die Kirche vor Machbarkeitsdenken. Sobald sie sich auf Konzepte und menschliche Planungen für ihren Fortbestand verlasse, verlasse sie die Segenszusage Gottes. Allein Gebet, die Heilige Schrift und die Sakramente sicherten den Bestand von Kirche. Das schließe jedoch eine kluge Durchdringung von Sachfragen nicht aus. Aber kein Sachzwang sei für den Fortbestand von Kirche heilsrelevant. Ebenso wenig sei es hinnehmbar, wenn Menschen glaubten, aus eigener Kraft das Evangelium befördern zu können. „Es ist allein Gottes Werk, und wir sind seine ‚unnützen Knechte’“, so Liebig unter Bezug auf Martin Luther (1483-1546).