22. Januar 2022

Wenn es eine zweite Erde gäbe …

Quelle: idea.de

Foto: Gerd Altmann/pixelio.de

Wetzlar (idea) – Kann es sein, dass es irgendwo im Weltall eine zweite Erde gibt? Und was würde das für den christlichen Glauben bedeuten? Neue naturwissenschaftliche Erkenntnisse geben Anlass zu solchen Fragen. Astronomen haben einen Planeten entdeckt, dessen Beschaffenheit der Erde nahekommt. Gleichzeitig sind Kernphysiker dem sogenannten „Gottesteilchen“ auf der Spur – einem winzigen Elementarpartikel, das in einer Theorie vom „Baukasten des Universums“ noch fehlt. Die Evangelische Nachrichtenagentur idea (Wetzlar) hat evangelikale Theologen und Naturwissenschaftler nach den Folgerungen für den Glauben gefragt.

Das „Gottesteilchen“ fehlt noch

Die US-Raumfahrtsbehörde NASA hat bestätigt, dass man mit dem Weltraumteleskop Kepler einen erdähnlichen Planeten gefunden habe. „Kepler 22b“ kreise in einer Umlaufbahn um einen Stern, der unserer Sonne ähnlich ist und brauche dafür mit 290 Tagen ähnlich lange wie die Erde. Der Planet liegt in der sogenannten „Goldglöckchen-Zone“, in der es nicht zu kalt und nicht zu heiß für Leben ist und in der flüssiges Wasser existieren könnte. Doch wurden schon 139 Planeten entdeckt, auf denen Leben möglich wäre. Gleichzeitig haben Physiker im Forschungszentrum Cern bei Genf Hinweise auf die Existenz des sogenannten Higgs-Teilchens entdeckt. Es ist das letzte fehlende Puzzle im Standardmodell der Materie und wird daher auch als „Gottesteilchen“ bezeichnet. Das vermutete Teilchen ist nach dem britischen Physiker Peter Higgs (82) benannt.

Theologe: Die Erde ist der Ort der Heilsgeschichte

Der Vorsitzende des Arbeitskreises für evangelikale Theologie, Rolf Hille (Heilbronn), räumte auf Anfrage von idea ein, dass die Endeckung erdähnlicher Planeten beunruhigende Fragen aufwerfen könne: „Was ist dann noch das Besondere an unserer Welt? Wodurch zeichnet sich der Mensch in seiner Einzigartigkeit noch aus?“ Aus der Perspektive einer biblischen Theologie stehe aber fest: „Egal, wie winzig die Erde im riesigen Kosmos erscheinen mag, sie ist von Gott als Ort seiner Heilsgeschichte auserwählt. Und auch dann, wenn es astronomisch möglich würde, Leben auf anderen Planeten zu finden, wäre der Mensch als Bild des Schöpfers ein Gegenüber Gottes, das dieser liebt“.

Aussage über außerirdisches Leben ist nicht möglich

Der Geschäftsführer der Studiengemeinschaft „Wort und Wissen“, der Biologe und Theologe Reinhard Junker (Baiersbronn/Schwarzwald), betonte, dass die Wissenschaft auch nach der Entdeckung eines neuen Planeten noch keine Aussage über die Existenz von außerirdischem Leben machen könne: „Das kann sie selbst dann nicht, wenn der Nachweis einer festen Oberfläche und dauerhaften Wassers auf Kepler 22b oder einem anderen Planeten gelänge.“ Wasser sei zwar eine notwendige Voraussetzung für Leben, aber dieses entstehe nicht zwangsläufig, nur weil die Bedingungen für seine Existenz gegeben seien. Junker: „Es wird leider häufig suggeriert, dass die Anwesenheit von Wasser die Existenz von Leben wahrscheinlich mache. Das ist falsch und führt das Laienpublikum in die Irre.“ Selbst falls solches Leben nachgewiesen würde, könnte man keine Aussage über dessen Entstehung treffen – also etwa, ob es durch Evolution entstanden oder von Gott erschaffen wurde.

Auch das „Gottesteilchen“ wurde von Gott erschaffen

Im Blick auf den erwarteten Nachweis des Higgs-Teilchens erklärte Junker: „Das hat aus schöpfungswissenschaftlicher Perspektive keine bedeutenden Konsequenzen. Das Teilchen hat jedenfalls nichts mit Gott zu tun – außer, dass Gott es geschaffen hat.“ Dennoch sei die Forschung auch für christliche Wissenschaftler nicht unwichtig. Sollte es aufgrund des Fehlens von Higgs-Teilchen eine „neue Physik“ geben, könnte das Folgen für Fragen nach dem Alter des Kosmos haben. Junker: „Dann müssten einige Karten noch einmal gemischt werden.“

Vatikan: „Gottesteilchen“ stellt Weltbild nicht in Frage

Eine ähnliche Ansicht vertritt der katholische Astrophysiker Pater Gabriele Gionti von der Sternwarte des Vatikans. Gegenüber Radio Vatikan führte er aus, dass der Nachweis des Higgs-Teilchens nicht das physikalische oder theologische Weltbild auf den Kopf stellen würde. Das gesuchte Partikel heiße lediglich Gottesteilchen, weil es bislang unauffindbar gewesen sei. Gionti warnte vor zu viel Euphorie in der Forschung: „Unsere Theoriemodelle sind noch nicht verifiziert; ich begreife nicht, wie man von einer Wissenschaft sprechen kann, der es gelinge, alles zu verstehen.“