22. Januar 2022

Russland: Im Osten nichts Neues

Quelle: idea.de

Foto: Andrea Damm/pixelio.de

Moskau (idea) – Der Ausgang der russischen Parlamentswahlen hat nach Ansicht kirchlicher Ost-Experten keine nennenswerten Auswirkungen auf die Situation der Christen. Bei den Wahlen am 4. Dezember hatte die Partei „Geeintes Russland“ von Regierungschef Wladimir Putin zwar ihre bisherige Zweidrittelmehrheit in der Duma verloren, aber nach offiziellen Angaben mit 49,4 Prozent der Stimmen und 238 der 450 Mandate die absolute Mehrheit erreicht.

Neuer Regierungschef soll der bisherige Staatspräsident Dimitri Medwedew werden. Putin will sich am 4. März wieder zum Präsidenten wählen lassen; er hatte das Amt bereits von 2000 bis 2008 inne. Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) sprachen von Manipulationen bei der Wahl. Auch die deutsche Bundesregierung zeigte sich besorgt. Russische Oppositionsparteien riefen zu weiteren Straßenprotesten auf.

Missionsbund „Licht im Osten“: Geistliches Vakuum

Der Leiter des in Russland und Osteuropa tätigen Missionsbundes „Licht im Osten“, Pfarrer Johannes Lange (Korntal bei Stuttgart), erklärte auf Anfrage gegenüber der Evangelischen Nachrichtenagentur idea, die russische Bevölkerung betrachte die politische Situation am Tag nach der Wahl weitgehend als stabil und ruhig: „Unsere Kontaktleute sagen, dass der Wahlausgang keine Verbesserung mit sich bringen werde, dass aber auch keine Umwälzung zum Negativen zu befürchten sei.“ Gleichwohl sei die Hoffnung auf mehr Demokratie und Wohlstand enttäuscht worden. Gleichgültigkeit und Politikverdrossenheit kämen der Regierung entgegen. Laut Lange besteht in Russland ein „geistliches Vakuum“. Viele Menschen suchten in ihrer Enttäuschung nach Gott. Christen sollten jede Möglichkeit nutzen, um das Evangelium zu verbreiten.

Ehemaliger Auslandspfarrer: Tragfähiges Wahlergebnis

Der frühere evangelische Auslandspfarrer in Moskau, Fridtjof Amling (Dinklage bei Osnabrück), erklärte auf Anfrage von idea, die Partei „Geeintes Russland“ habe keine Opposition mit einem nennenswerten Programm; deshalb habe sie trotz Zweifeln einen starken Rückhalt in der Bevölkerung gehabt. Amling: „Man kann davon ausgehen, dass es Wahlmanipulationen gegeben hat, doch über den Umfang können wir nur spekulieren. Dennoch ist das ein tragfähiges und demokratisches Ergebnis, das zeigt, dass die Unterstützung für die Regierung real ist.“ Für Christen bleibe alles beim Alten: „Es sollte mich stark wundern, wenn es irgendwelche Veränderungen oder Folgen für sie geben wird.“ Amling war von 2000 bis 2009 in der evangelischen Emmaus-Gemeinde in Moskau tätig und gab an der deutschen Schule Ethik-Unterricht. Zu seinen Schülerinnen gehörten die Putin-Töchter Maria und Jekaterina. Von den 140 Millionen Einwohnern Russlands zählen etwa 64 Prozent zu orthodoxen Kirchen; 1,2 Prozent sind Protestanten und 0,6 Prozent Katholiken. Muslime stellen 12,5 Prozent der Bevölkerung und Buddhisten 0,7 Prozent. Der Rest ist religionslos oder gehört anderen Glaubensrichtungen an.