24. September 2021

Früherer Vize-Chef der Colonia Dignidad nach Deutschland geflohen

Quelle: idea.de

Krefeld (idea) – Ein ehemaliges Führungsmitglied der früheren Sekten- und Foltersiedlung „Colonia Dignidad“ (Kolonie der Würde) in Chile ist nach Deutschland geflohen. Wie die Rheinische Post berichtet, lebt der Arzt Hartmut Hopp (66) zusammen mit seiner Frau Dorothea in Willich-Schiefbahn.

Demnächst werden die beiden mach Krefeld-Linn umziehen, wo sie eine Drei-Zimmer-Wohnung gemietet haben. Mit Hilfe von Freunden und Verwandten werde die Wohnung zur Zeit saniert, so die Rheinische Post. Hopp galt als die „rechte Hand“ des im vorigen Jahr mit 88 Jahren in einem Gefängniskrankenhaus gestorbenen Colonia-Gründers Paul Schäfer. In Chile wurde Hopp wegen seiner Beteiligung am sexuellen Missbrauch Minderjähriger zu einer fünfjährigen Freiheitsstrafe verurteilt. Er tauchte unter, bevor er die Strafe antreten musste. Dem Bericht zufolge floh Hopp aus Chile „zunächst auf dem Landweg nach Argentinien, dann nach Paraguay, dann nach Europa“. Die Zeitung zitiert dabei aus einer ihr vorliegenden E-Mail Hopps. Zur Flucht habe er keine Alternative gesehen, um der Haftstrafe zu entgehen. Zuvor hatte es Gerüchte gegeben, dass Hopp bei der Freien Volksmission Krefeld untergekommen sei. Deren Leiter, Ewald Frank, wies das zurück: „Wir haben in der Volksmission Hartmut Hopp nicht gehört und nicht gesehen. Hier wird niemand versteckt oder beherbergt.“ Die Volksmission bestätigte zugleich, dass 13 ehemalige Mitglieder der Siedlung ihren Gottesdienst besuchen. Frank räumte ebenfalls ein, 2004 in Chile in der Colonia Dignidad gepredigt zu haben.

Hermetisch abgeschottete Gemeinschaft

Die Colonia Dignidad wurde von dem aus Deutschland stammenden ehemaligen evangelisch-lutherischen Jugendpfleger Paul Schäfer gemeinsam mit zahlreichen deutschen Familien – meist aus baptistischem Umfeld – gegründet. Während der Diktatur von Augusto Pinochet (1973-1990) diente die hermetisch abgeschottete Siedlung als Waffenlager und Folterzentrum des Geheimdienstes. 22 Regimegegner sollen dort ermordet worden sein. Im Mai wurden acht Mitglieder des ehemaligen Führungskreises um Schäfer in Chile verhaftet, die bereits wegen Beteiligung am sexuellen Missbrauch von Minderjährigen verurteilt sind. Unterdessen soll Chile die Auslieferung von Hopp von Deutschland gefordert haben. Doch dazu erklärte das Auswärtige Amt in Berlin, dass bislang kein derartiges Gesuch eingegangen sei. Allerdings liege ein internationaler Haftbefehl vor.

Freie Volksmission ist keine Freikirche

Um was handelt es sich bei der „Freien Volksmission Krefeld“? Es gehe um eine von den Kirchen völlig getrennte Bewegung, sagte der Leiter der Evangelischen Zentralstelle für Weltanschauungsfragen (EZW/Berlin), Reinhard Hempelmann, gegenüber idea. Sie gründe sich auf die Lehre des US-Pfingstkirchenpredigers William Branham (1909-1965), der deshalb umstritten ist, weil er die Dreieinigkeit Gottes ablehne und sich mit zunehmendem Alter als endzeitlicher Prophet vor der Wiederkunft des Messias verstanden habe. Eine ähnliche unmittelbare Bevollmächtigung nehme auch der Leiter der Volksmission Krefeld, Ewald Frank, für sich in Anspruch, der 1962 bei seiner Berufung in den christlichen Dienst direkt die Stimme Gottes gehört haben wolle. Die Volksmission Krefeld gelte als deutsches Zentrum der Branham-Bewegungen, die hierzulande sonst keine größeren Gemeindegründungen aufweise. Durch eine Nähe zu strafbaren Handlungen sei die Bewegung bisher nicht aufgefallen.

Opfergemeinschaft: Drei Millionen Euro im Ausland geparkt

Unterdessen hat die Opfergemeinschaft „Not- und Interessengemeinschaft der Geschädigten der Colonia Dignidad“ die Bundesregierung aufgefordert, Hopp der chilenischen Justiz zuzuführen. Wenn dies aus juristischen Gründen nicht möglich sei, solle überprüft werden, ob er sich nach deutschem Recht strafbar gemacht habe, sagte Karin Schaffrik (Elsmhorn) vom Vorstand der Opfergemeinschaft. Schaffrik vermutet, dass Hopp sich nicht nur in Krefeld sondern eventuell auch in der Schweiz bei Verwandten aufhalten könnte. Sie hofft, dass er ergriffen wird, weil er dann auch über das im Ausland geparkte Vermögen der Colonia Dignidad Auskunft gebe könnte. Schätzungen zufolge soll es sich um rund drei Millionen Euro handeln.