28. Januar 2022

Viel Lob für den Kirchentag: Fröhlich, fromm und engagiert

Quelle: idea.de

Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU). Foto: idea/Dürrstein

Dresden (idea) – Ein weithin positives Fazit in Politik und Kirchen hat der Deutsche Evangelische Kirchentag vom 1. bis 5. Juni in Dresden ausgelöst. Lediglich in der evangelikalen Bewegung gehen die Meinungen auseinander.
 

Der sächsische Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) – selbst Katholik – erklärte: „Auch die letzten Kritiker werden davon überzeugt sein, dass es gut war, Gastgeber des Kirchentages zu sein.“ Für ihn seien vor allem die Gottesdienste und Gebete wichtig, da das Treffen sonst nur den Charakter einer Party hätte. Bundesinnenminister Hans-Peter Friedrich (CSU) würdigte den Kirchentag als einen Ort des Dialogs und eine Quelle der Inspiration für die gesellschaftliche Diskussion grundlegender Fragen des Gemeinwesens. Er bezeichnete den Kirchentag in Dresden auch als ein Signal für religiös gleichgültige Menschen: „Wenn sie erleben, dass 180.000 Menschen sich friedlich versammeln, stellt sich dem einen oder anderen sicher die Frage: Ist da vielleicht doch etwas dran am Christentum?“ Der Beauftragte der SPD-Bundestagsfraktion für Kirchen und Religionsgemeinschaften, Siegmund Ehrmann, äußerte sich ebenfalls lobend über das Treffen: „Wieder einmal habe ich bewundern können, mit welcher Kraft und Ernsthaftigkeit sich Christinnen und Christen in die Brennpunkte unserer Gesellschaft hineinbegeben und die politisch Verantwortlichen herausfordern.“ Er nehme die unmissverständliche Mahnung mit, dass ein Regelwerk für ein „maßvolles, ressourcenschonendes und wertebewahrendes Wirtschaften“ geschaffen werden müsse. Für den Kirchenbeauftragten der FDP-Bundestagsfraktion, Stefan Ruppert, hat der Kirchentag gezeigt, „wie viele Menschen sich für den Glauben begeistern können“. Er freue sich, dass diese Begeisterung in einem der neuen Bundesländer spürbar geworden sei. Die Liberalen begrüßten „die Vielfalt im Glauben, die aber immer auf die Botschaft des Evangeliums bezogen werden muss“.

AEU: Noch kein Katalysator für Veränderungsprozess

Nach Meinung des Arbeitskreises Evangelischer Unternehmer (AEU) hat das Treffen einem Brennglas gleich die gesellschaftspolitischen Diskussionen zu Frieden, Gerechtigkeit und Bewahrung der Schöpfung gebündelt anhand von Themen wie Afghanistan und Atomausstieg. Dabei sei vielfach die Umkehr zu einer zukunftsfähigen, nachhaltigen Gesellschafts- und Wirtschaftsordnung beschworen worden, so AEU-Geschäftsführer Stephan Klinghardt (Karlsruhe). Für das neue Leitbild eines „Weniger ist mehr“ seien jedoch ein breiter gesellschaftlicher Konsens und die Bereitschaft erforderlich, mit den Veränderungen bei sich selbst zu beginnen. „Ein Katalysator für diesen notwendigen Prozess war der Kirchentag in Dresden (noch) nicht“, so Klinghardt.

Freikirchen: Großes Glaubenszeugnis

Die Präsidentin der Vereinigung Evangelischer Freikirchen, die evangelisch-methodistische Bischöfin Rosemarie Wenner (Frankfurt am Main), sprach von einem „fröhlichen, frommen und engagierten Kirchentag“, der ein „großartiges Zeugnis“ gewesen sei. Die zentralen Anliegen der evangelischen Freikirchen seien an vielen Stellen zur Sprache gekommen: „Es ging darum, wie wir Menschen zum Glauben an Christus einladen, die schon lange keine Beziehung mehr zur Kirche haben und um die gesellschaftspolitische Dimension des Christseins.“ Der Kirchentag in Dresden habe die Gelegenheit geboten, von den Erfahrungen der Christen in der friedlichen Revolution für die Freiheitsbewegungen heute zu lernen.

Allianz: Evangelikale keine Randgruppe mehr

Zu den prominenten evangelikalen Mitwirkenden des Treffens gehörte der Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz, Jürgen Werth (Wetzlar). Sein Fazit: „Ich habe einen fröhlichen, entspannten Kirchentag erlebt, bei dem engagiert, ausgewogen und fair über theologische und politische Fragen diskutiert wurde.“ Die Evangelikalen seien „auch hier längst keine unbedeutende Randgruppe mehr“.

Pietisten: Das ist auch „unser“ Kirchentag

Der Vorsitzende des Landesverbandes Landeskirchlicher Gemeinschaften Sachsen, Prof. Johannes Berthold (Moritzburg), sagte, er wolle den Kirchentag nicht von seinen „Rändern“ her definieren: den umstrittenen dogmatischen oder ethischen Themen, die die Medien oft in die Mitte rückten. Der wirkliche „Schatz“ seien die vielen Gottesdienste und Bibelarbeiten, „in denen das Wort Gottes in oft berührender Weise zur Sprache kam und dann in gemeinsamen Gebet und Lobpreis Antwort fand“. Diese Erfahrung habe Grenzen der Frömmigkeitsprägung, aber auch der Konfession überschritten. Es sei gut, wenn Pietisten sagen: „Das ist auch unser Kirchentag, auf dem wir gern Profil zeigen.“

Weltverbesserung statt Erlösung?

Scharfe Kritik übte dagegen die Konferenz Bekennender Gemeinschaften in den evangelischen Kirchen Deutschlands. Auf dem Kirchentag sei es um „Weltverbesserungsperspektiven“ gegangen, denen man offensichtlich Bekenntnisrang beigemessen habe, zum Beispiel gegen Atomkraft, gegen Krieg in Afghanistan, gegen Kapitalismus und für die Erweiterung des Begriffs Familie auf homosexuelle Paare. Aber wo, so fragt der Vorsitzende des theologisch konservativen Zusammenschlusses, Pastor Ulrich Rüß (Hamburg), blieb „der massive und geballte missionarische Aufbruch“, den Kirche und Gesellschaft dringend brauchten. Schließlich habe es der Kirche in ihrem Auftrag und ihrer Botschaft weniger um Weltverbesserung zu gehen, sondern mehr um Welterlösung und Heil, mehr um die persönliche Beziehung zu Gott und den Glauben an Jesus Christus. Zwar gab es laut Rüß auch „die großen Christusbekenner“ auf dem Treffen, aber im Vergleich zum ganzen Angebot „viel zu wenige“. Er plädiert dafür, in Zukunft den Schwerpunkt des Kirchentages auf Inhalte und Themen „des weckenden und vergewissernden Glaubens“ zu setzen, damit von ihm ein missionarischer Aufbruch ausgehe.

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