30. Juni 2022

Völkermord an Armeniern nicht vergessen

Quelle: idea.de

Potsdam (idea) – Er ist ein dunkles Kapitel in der europäischen Geschichte: der Völkermord an den christlichen Armeniern im Osmanischen Reich (heute Türkei).
 
Künftig erinnert eine Forschungs- und Begegnungsstätte in Potsdam an diese Verbrechen, die der türkische Staat bis heute leugnet. Am 2. Mai wurde die Forschungseinrichtung im ehemaligen Wohnhaus von Pfarrer Johannes Lepsius (1858-1926) in der brandenburgischen Landeshauptstadt eröffnet. Der evangelische Theologe hatte die Massaker der Türken an der christlichen Minderheit vor knapp 100 Jahren dokumentiert. Bei Deportationen und Massenmorden waren 1915/16 nach unabhängigen Schätzungen weit mehr als eine Million Armenier im Osmanischen Reich ums Leben gekommen. 1916 verschickte Lepsius seinen „Bericht zur Lage des armenischen Volkes in der Türkei“ von seinem Wohnhaus am Potsdamer Pfingstberg aus, in dem jetzt das Dokumentationszentrum eröffnet wurde.

Ehrliche Aufarbeitung der Geschichte

Vor rund 200 Vertretern aus Politik, Kirche und Gesellschaft – darunter Generalsuperintendentin Heilgard Asmus (Potsdam) – würdigte Kulturstaatsminister Bernd Neumann (CDU) das Wirken von Lepsius. Trotz Widerständen und Drohungen der Zensur habe dieser den Völkermord ans Licht der Öffentlichkeit gebracht. Die Forschungsstätte trage auch der historischen Verantwortung Deutschlands Rechnung, das damals als Verbündeter des Osmanischen Reiches den Verbrechen nichts entgegengesetzt habe. Eine ehrliche Aufarbeitung dieses Kapitels der Geschichte sei nicht nur in Deutschland nötig, sondern auch in der Türkei, mahnte Naumann. „Ich bin der Überzeugung: Solange Verbrechen – wie die an den Armeniern – als solche nicht beim Namen genannt werden dürfen, solange sie verschwiegen oder bagatellisiert werden, so lange blendet eine Nation einen Teil ihrer eigenen Geschichte aus und wird der Opfer, ihrer Würde und ihrer Identität nicht gerecht.“ Deutschland und die Türkei pflegten seit vielen Jahrzehnten gute Beziehungen. Gerade in einer freundschaftlichen Beziehung zwischen zwei Staaten gehöre es dazu, dass man sich Wahrheiten sage. Deutschland wolle mit dem Lepsius-Haus dazu beitragen, dass Türken und Armenier über die Gräben der Vergangenheit hinweg nach Wegen der Versöhnung suchen.

Proteste aus der Türkei

Gegen die Gedenkstätte hatte es Proteste aus der Türkei gegeben. Das türkische Strafgesetzbuch verlangt, die Erwähnung der Massaker als Volksverhetzung zu ahnden. Erst Ende April wurde im Nordosten der Türkei damit begonnen, ein Versöhnungsdenkmal abzureißen, das an den Völkermord erinnert. Bereits 2001 hatte es in Potsdam Pläne zur Errichtung der Gedenkstätte im Lepsius-Haus gegeben. Diese waren jedoch aufgeschoben worden, nachdem es massive Proteste der Türkei gegeben hatte. So erhielt der damalige Potsdamer Oberbürgermeister Matthias Platzeck (SPD) – seit 2002 Ministerpräsident des Bundeslandes Brandenburg – eine Flut türkischer Protestbriefe, die das Projekt verhindern wollten. Die türkische Botschaft drohte indirekt mit Unruhen durch Türken in Berlin. Der Vorstand des Lepsius-Haus-Fördervereins wurde zu einem Gespräch beim türkischen Botschafter geladen. Der behauptete, das Lepsius-Haus trage zur Destabilisierung der Türkei bei. In den vergangenen Jahren wurden die Räume der Villa unter anderem aus Mitteln des Bundes für insgesamt 560.000 Euro restauriert. Die Außensanierung endete 2005. Das Anwesen ist Eigentum der Stiftung Preußische Schlösser und Gärten und gehört zum UNESCO-Weltkulturerbe.