30. Juni 2022

SYRIEN: Werden Christen vertrieben?

Quelle: idea.de

Foto: Gerd Altmann / pixelio.de

Damaskus (idea) – In Syrien – wie in anderen Ländern Nordafrikas und des Nahen Ostens – begehren Oppositionelle gegen das herrschende Regime auf, das mit Gewalt zurückschlägt. Insgesamt sind seit März rund 600 Personen getötet worden; mindestens 8.000 wurden festgenommen oder sind verschwunden.

Am 6. Mai veranstaltete die Opposition einen „Freitag des Trotzes“. Die Christen in Syrien halten sich hingegen zurück: Sie fürchten, von radikal-islamischen Kräften des Volksaufstands unterdrückt und vertrieben zu werden. Unter dem sozialistischen System der seit 1963 regierenden Baath-Partei von Präsident Baschar al-Assad genießt die christliche Minderheit relative Freiheit. Von den rund 20 Millionen Einwohnern Syriens sind etwa 15 Prozent Christen, meist Orthodoxe und Katholiken. Auch unter den rund 1,2 Millionen Flüchtlingen aus dem Irak, dem Libanon und den Palästinensergebieten sind Tausende Christen. Etwa drei Viertel der Bevölkerung sind sunnitische Muslime; hinzu kommen Alewiten, Schiiten und Drusen.

Christen fürchten Terrorismus

Nach Angaben der Menschenrechtsorganisation International Christian Concern (Washington) sind Christen bereits von radikal-islamischen Regierungsgegnern angegriffen und unter Druck gesetzt worden: Wenn sie sich nicht den Protesten anschlössen, müssten sie das Land verlassen. Christen fürchten, dass bei einem Umsturz auch etwa Salafisten an die Macht kommen könnten, die sie unterdrücken oder vertreiben wollen. Es habe bereits blutige Übergriffe gegeben: In einem von Christen bewohnten Dorf nahe Daraa – einer Hochburg der Regierungsgegner – hätten etwa 20 bewaffnete und maskierte Männer das Feuer auf ein christliches Haus eröffnet. Auch Christen wollten für Demokratie demonstrieren, aber sie hätten Angst vor dem drohenden Terrorismus radikal-islamischer Kräfte. Über Ostern hatten mussten Kirchen wegen der blutigen Unruhen geschlossen bleiben. Christen riefen zu Gebet und Fasten auf.

CDU-Politiker fordern Schutz für Christen

Der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Philipp Mißfelder, und die Fraktionsbeauftragte für Kirchen und Religionsgemeinschaften, Maria Flachsbarth, forderten den Schutz religiöser Minderheiten in Syrien. Wörtlich heißt es in ihrer gemeinsamen Erklärung: „Der Machtkampf zwischen der alewitischen Herrscherklasse und der sunnitischen Bevölkerungsmehrheit in Syrien darf nicht zu Lasten der Christen und anderer Minderheiten ausgetragen werden.“ Verbrechen an Christen wie auch an anderen religiösen Minderheiten müssten als schwere Menschenrechtsverletzungen weltweit geächtet werden.

Islamwissenschaftler: Umsturz kann Christen gefährden

Nach Ansicht des deutschen Islamwissenschaftlers Prof. Udo Steinbach (Berlin) müssen die syrischen Christen einem Umsturz des Regimes Assad mit großer Besorgnis entgegensehen. Dies könne „ernsthafte Konsequenzen für die Sicherheit der Christen“ haben, sagte er der katholischen Zeitung „Die Tagespost“ (Würzburg). Steinbach würde nicht ausschließen, dass es zu einer ähnlichen Welle der Brutalität wie im Irak nach dem Fall Saddam Husseins (1937-2006) kommen könnte. Dieser Diktator habe während seiner Herrschaft die Hand über die christliche Minderheit gehalten.