28. Januar 2022

Käßmann: Medienwelt wird immer oberflächlicher

Quelle: idea.de

Die frühere EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann plädiert für eine „mediale Entschleunigung“. Foto: LVH/Monika Lawrenz

München (idea) – Für eine „mediale Entschleunigung“ des Alltags hat sich die frühere EKD-Ratsvorsitzende Margot Käßmann (Berlin) ausgesprochen.
 

Angesichts einer „immer greller und oberflächlicher werdenden Medienwelt, in der es um schnelle und spektakuläre Nachrichten geht“, sollte eine christlich verantwortete Publizistik den Blick der Öffentlichkeit auf jene lenken, die vom öffentlichen Interesse ausgeschlossen sind. Das forderte sie am 28. März bei der Verleihung des Karl-Buchrucker-Preises der Inneren Mission München. Laut Käßmann betrachten viele Medienschaffende das Leben als Rennstrecke. Verstehen und Begreifen sei aber „nicht im Vorübergehen möglich“. Vielmehr gelte es, „Augen und Sinne zu öffnen für die Wunder im Kleinen und für die Zartheit des Lebens“. „Die Welt ist langsamer, das Leben der Menschen auch, als die meisten Medien es uns weismachen wollen. Wer sich auf die Stille und Langsamkeit einlässt, wird lebensbereichernde Entdeckungen machen“, so die frühere Landesbischöfin, die Ende Februar 2010 nach einer Trunkenheitsfahrt ihre kirchliche Ämter niedergelegt hatte. Käßmann zufolge ist es falsch, dass in den Medien meist „Leistungsstarke und Schöne, Macher und Durchsetzungsfähige“ im Vordergrund stehen: „Schwäche, Demenz, Alter, Sterben haben kaum Konjunktur.“ Vor diesen Themen drückten sich die meisten. Doch jeder Mensch sei im Leben auf Unterstützung angewiesen. „Auch die Starken waren nicht immer im Vollbesitz ihrer körperlichen und geistigen Kräfte – und werden es nicht immer bleiben.“

Auszeichnung für Dokumentation über Koma-Patienten

Den mit 5.000 Euro dotierten Karl-Buchrucker-Preis erhielt der Fernsehfilm „Zwischen Welten – Vom Aufwachen in einem anderen Leben“. Die 90-minütige Dokumentation von Autor Marc Haenecke (43) und Kameramann Harald Rumpf (55), die beide auch Regie geführt haben, schildert den ein Jahr lang dauernden Weg zweier Langzeitpatienten, wie sie nach dem Koma wieder mühevoll ins Leben finden und dabei alles neu lernen müssen. Ein weiterer Preis im Wert von 3.000 Euro ging an die 36-jährige Journalistin Birgit Lutz-Temsch (München) für ihren in der Süddeutschen Zeitung erschienenen Erfahrungsbericht „Am schlimmsten ist die Liebe“. Darin schildert sie den Versuch ihrer Familie, den zunehmend dement werdenden Großvater zuhause zu pflegen. Ebenfalls mit 3.000 Euro ausgezeichnet wurde der Fotograf Andreas Labes (46) aus Berlin für sein Fotoprojekt „100 Jahre Leben“, für das der gebürtige Erzgebirgler über einen Zeitraum von fünf Jahren 100 Hundertjährige aus dem gesamten Bundesgebiet porträtiert hat. Buchrucker (1827-1899) war Dekan in München und Gründer der dortigen Inneren Mission.