26. Juli 2021

Broder: Glaube von Christen und Juden ist „weichgespült“

Quelle: idea.de

Der jüdische Publizist Henryk M. Broder. Foto: Wikipedia/Sven Teschke

Dresden (idea) – Christen und Juden in Deutschland haben weithin einen „weichgespülten“ Glauben, der die eigenen heiligen Schriften nicht mehr ernst nimmt. Dagegen vertreten Muslime ihre Religion weitaus entschlossener, was auch Atheisten beeindruckt.
 

Diese Ansicht vertrat der jüdische Publizist Henryk M. Broder (Berlin) bei einem Streitgespräch am 3. November in Dresden. Er diskutierte mit dem evangelischen Theologieprofessor Friedrich Wilhelm Graf (München) über „Glaube und Toleranz“. Broder bezeichnete die Frage, ob Christen, Juden und Moslems an den gleichen Gott glauben, als unsinnig. Das Judentum sei eine Religion des Zweifelns und Fragens, das Christentum im Ansatz eine Religion der Nächstenliebe. Dagegen nannte er den Islam eine militante Religion, die von Anfang an den Glauben mit dem Schwert ausgebreitet habe. Es gelte heute bereits als „Humanisierung“ des Islam, wenn eine zum Tode verurteilte Frau nicht gesteinigt, sondern „nur“ gehängt werde. Demokratie, Gewaltenteilung und Gleichberechtigung seien in islamischen Ländern „extrem dünn ausgeprägt“. Daher ist für Broder eine „korrupte, schwächliche, ausgewaschene christlich-jüdische Kultur des Abendlandes“ immer noch lieber.

Die Kirchen sind „sehr reiche und einflussreiche Akteure“

Der evangelische Theologe Graf bewertete die religiösen Strukturen in Deutschland als „erstaunlich stabil“. So sehe er heute niemanden, der die christlichen Feiertage abschaffen wolle. Beide Volkskirchen seien nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs sehr privilegiert worden und heute sehr reiche und einflussreiche Akteure. Sie hätten in der Gesellschaft immer mehr Funktionen übernommen und sich „Sozialstaatspfründe“ gesichert. Heute beschäftigten Caritas und Diakonie mehr als 900.000 Mitarbeiter und hätten damit mehr als die gesamte deutsche Autoindustrie. Nun wachse die Sorge, dass der Islam den Kirchen Macht und Pfründe abnehme. Die deutsche Gesellschaft habe in sehr naiver Weise Einwanderer ins Land geholt und sich damit selbst Probleme bereitet, so Graf im Blick auf Schwierigkeiten bei der Integration. Zwar fänden sich auch im Christentum fundamentalistische Parallelstrukturen, diese spielten jedoch keine große Rolle. In einer freien Gesellschaft ließen sich traditionelle katholische, protestantische und pietistische Milieus auf Dauer nicht aufrechterhalten. Zugleich warnte Graf vor einer strikten Trennung von Kirche und Staat. Dadurch gebe es nicht mehr Toleranz, sondern neue Konflikte. Stattdessen müsse man den öffentlichen Diskurs ändern. Es werde zu viel über Religion und zu wenig über Recht und republikanische Bürgertugenden geredet. Graf: „Was da jemand glaubt, ist mir letztlich egal – so lange er mich damit nicht behelligt.“ Die Diskussion gehörte zum Begleitprogramm der Ausstellung „Kraftwerk Religion. Über Gott und die Menschen“ im Dresdner Hygiene-Museum. Das Gespräch moderierte die Kulturbeauftragte des Rates der EKD, Petra Bahr (Berlin).