26. Juli 2021

126 Synodale beschließen einstimmig „epochales“ Pfarrdienstgesetz

Quelle: medrum.de

EKD macht es anderen vor: Familie ist auch da, wo keine Kinder sind

von Kurt J. Heinz

(MEDRUM) Am Mittwoch, 10. November 2010, nahmen die 126 Mitglieder der Synode das vom Rat der EKD vorgelegte neue Pfarrdienstgesetz einstimmig an. Es sei ein „wahrhaft epochales Werk“, sagte das EKD-Ratsmitglied, Landesbischof Ulrich Fischer, als er den Entwurf für das Gesetz der EKD-Synode zur Abstimmung vorlegte. Das neue Kirchengesetz will einen verlässlichen Rahmen für die Gliedkirchen schaffen und basiert unter anderem auf einem neuen Familienbegriff.
 

Das neue Pfarrdienstgesetz umfasst 116 Seiten. Sein Name lautet: „Kirchengesetz zur Regelung der Dienstverhältnisse der Pfarrerinnen und Pfarrer in der Evangelischen Kirche in Deutschland (Pfarrdienstgesetz der EKD – PfDG.EKD)“. Den 45 Seiten Gesetzestext folgen 69 Seiten Begründung und 1 Seite mit der Stellungnahme der Kirchenkonferenz.

Das PfDG gliedert sich in zehn Teile und umfasst insgesamt 121 Paragraphen, in denen alles Wichtige zum Pfarrdienstverhältnis in der EKD kirchenrechtlich und die Gliedkirchen übergreifend geregelt sein soll:

Der Vorsitzende des Rechtsausschusses der EKD-Synode, Gerhard Eckels, stellte in seiner Beschlussempfehlung vor der Synode heraus, dass „dieses Gesetz ein weiterer, ganz wichtiger Baustein der Rechtsvereinheitlichung in der EKD ist.“ Landesbischof Fischer führte dazu weiter aus: „Die rechtlichen Rahmenbedingungen für den Pfarrerberuf, der zu Recht als Schlüsselberuf der evangelischen Kirchen bezeichnet wird, werden auf eine einheitliche und verlässliche Grundlage gestellt.“ Nicht weniger als elf unterschiedliche Pfarrdienstgesetze gebe es bisher in den 22 Gliedkirchen der EKD, so Landesbischof Fischer. Es sei dringend erforderlich, „dass die Gliedkirchen auch in diesem Kernbereich ihrer Arbeit eine Sprache sprechen und enger zusammenarbeiten, dass ihre Praxis vergleichbarer und der Wechsel von Pfarrerinnen und Pfarrern zwischen den Gliedkirchen leichter und einfacher wird. Mit diesem gemeinsamen Gesetz wollen wir auch den künftigen Regelungsaufwand reduzieren und nicht zuletzt eine höhere Akzeptanz des kirchlichen Rechts bei staatlichen Stellen erreichen.“

Zuvor hatte bereits die Kirchenkonferenz, die Vertretung der Gliedkirchen der EKD, dem Gesetzentwurf zugestimmt. Das Gesetz tritt am 1. Januar 2011 in Kraft. Für das Inkrafttreten in den Gliedkirchen bedarf es noch der Zustimmung der Gliedkirchen beziehungsweise der Vereinigte Evangelisch-Lutherische Kirche Deutschlands (VELKD). Hierfür sieht das Gesetz eine Frist bis zum 31. Dezember 2012 vor.

Eine epochale Bedeutung kann dem neuen Pfarrdienstgesetz insbesondere wegen des Einführung eines neuen Verständnisses von Familie beigemessen werden. Das PfDG enthält einen Paragraphen 39 über „Ehe und Familie“, der auf den ersten Blick nicht sehr aufregend wirkt. Er besagt, daß Pfarrerinnen und Pfarrer auch in ihrer Lebensführung im familiären Zusammenleben und in ihrer Ehe an die Verpflichtungen aus der Ordination gebunden sind. Während es keiner weiteren Begründung bedarf, um zu verstehen, was mit Ehe gemeint ist, erschließt sich der Begriff „familiäres Zusammenleben“ erst nach Studium der ausführlichen Begründung zum Gesetzestext.

Wie MEDRUM berichtete, wird aus der Begründung zum Begriff „familiäres Zusammenleben“ klar, daß mit diesen neuen kirchenrechtlichen Regelungen auch lesbische Pfarrerinnen oder schwule Pfarrer, die in einer Lebenspartnerschaft zusammenleben, ebenso wie ein in der Ehegemeinschaft zusammenlebendes kinderloses Pfarrerehepaar als Familie angesehen werden. In der Begründung zum neuen Gesetz wird dieses Verständnis in der Formulierung ausgedrückt: „jede Form des rechtsverbindlich geordneten Zusammenlebens von mindestens zwei Menschen“. Auch damit dürfte die EKD ihrer Zielsetzung Rechnung tragen, eine höhere Akzeptanz bei staatlichen Stellen zu erreichen. In Bremen wurde 2010 die gleichgeschlechtliche Lebenspartnerschaft durch eine Änderung der Landesverfassung der Ehe völlig gleichgestellt. Die Formulierung „mindestens zwei“ Menschen gibt darüber hinaus sogar Spielraum für künftige Weiterentwicklungen von Lebensformen. So könnten auf weitere Sicht beispielsweise auch drei als Partner zusammenlebende Pfarrerinnen oder Pfarrer als Familie gelten.

Das neue Familienverständnis weicht grundlegend von bisherigen kirchlichen und tradierten gesellschaftlichen Vorstellungen ab. Der Begriff Familie war bislang an die natürliche Lebensverbindung zwischen Eltern und Kindern gebunden. So antwortete 2002 der damalige Bundeskanzler Schröder auf die Frage, was er unter Familie verstehe, mit der plakativen Formel: „Familie ist dort, wo Kinder sind“. Ein solches Verständnis ist mit der Einführung des neuen Pfarrdienstgesetzes überholt. Die mit unterschiedlichen Lebensformen jeweils verbundenen Inhalte diffundieren nun und verändern bisher klare Konturen des Familienbegriffes grundlegend. Familie ist nach dem neuen Verständnis der EKD alles, was als „Einstandsgemeinschaft“ gelten kann. Familie ist damit auch dort, wo keine Kinder sind.

Aus: Faltblatt der EKBO

Das neuImagee Kirchenrecht wird dem Anspruch gerecht, Entwicklungen voranzugehen, wie es von der Präses der Synode, dem Mitglied der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/ Die Grünen, Katrin Göring-Eckardt, formuliert wurde, als sie zu Beginn der Tagung der Synode zu Reformen aufrief: „Machen wir es den anderen vor.“

In der Evangelischen Landeskirche in Berlin-Brandenburg schlesische Oberlausitz (EKBO) hat das neue Denken schon Fuß gefasst. Wie MEDRUM berichtete, lädt sie lesbische und schwule Partner ein, sich kirchlich segnen zu lassen. Sie benutzt dafür das Wort Jesu zur Ehe: „Was Gott zusammengefügt hat, darf der Mensch nicht scheiden.“

Der im Bild links abgebildete Ausschnitt aus einem Faltblatt der EKBO spiegelt das neue Verständnis der EKD vom Familienbegriff wieder.

MEDRUM -> Vorlage der EKD: Kinder sind für Familie nicht mehr konstitutiv

MEDRUM -> Rückschritt vom Toleranzdiktat in eine beliebige Zeitgeistethik