19. Oktober 2021

Käßmann: In der Kirche gibt es keine Superstars

Quelle: idea.de

Ex-Bischöfin Margot Käßmann beim Eintrag in das Goldene Buch der Stadt Gladbeck. Dahinter: Bürgermeister Ulrich Roland (SPD), RUHR.2010-Geschäftsführer Oliver Scheytt und der Superintendent des Evangelischen Kirchenkreises Gladbeck-Bottrop-Dorsten, Detlef Mucks-Bücker. Foto: idea/Ottmar

Gladbeck (idea) – Die ehemalige EKD-Ratsvorsitzende und Landesbischöfin Margot Käßmann (Hannover) ist auf den Rummel um ihre Person eingegangen. Nach evangelischem Verständnis könne es in der Kirche keine Superstars geben, sagte sie am 7. Juni bei einer Veranstaltung im Martin Luther Forum Ruhr in Gladbeck.
 

Die Theologin reagierte damit auf Presseberichte, in denen sie als „Superstar“ bezeichnet worden war. Anlass waren ihre umjubelten Auftritte beim Ökumenischen Kirchentag in München und in einem Gottesdienst in Hannover. Wie Käßmann dazu in Gladbeck vor über 300 Besuchern sagte, suchten die Menschen offenbar nach Identifikationsfiguren. Über die „positive Aufnahme“ bei ihren jüngsten Auftritten habe sie sich gefreut: „Das hat mir gut getan.“ Bei der Veranstaltung ging es ferner unter anderem um Fragen der Ökumene. Im Gespräch mit dem Superintendenten des Evangelischen Kirchenkreises Gladbeck-Bottrop-Dorsten, Detlef Mucks-Bücker, sprach sich die 52-Jährige für eine „versöhnte Verschiedenheit“ zwischen Katholiken und Protestanten aus. Das Ziel sei nicht Gleichmacherei, sondern die gegenseitige Anerkennung als Kirche, der Ämter und das gemeinsame Abendmahl. Die Trennung beim Abendmahl sei wohl der Punkt, der am meisten schmerze. Allerdings habe sich in den vergangenen Jahrzehnten in der Ökumene auch viel getan. „Früher hatte man schon ein Problem, wenn man als Protestantin einen katholischen Freund hatte“, sagte Käßmann.

Zehn Prozent des Fernsehkonsums opfern

Die Ex-Landesbischöfin plädierte außerdem für einen verstärkten Einsatz von Bürgern für vernachlässigte Menschen. Als Beispiel nannte sie die Pflege älterer Personen. Die Zeit der Pflegekräfte sei sehr knapp bemessen. Viele betreute Personen vereinsamten. Wenn jeder Bürger zehn Prozent seines Fernsehkonsums für solche Personen investieren würde, wäre schon viel geholfen, so Käßmann. Sie äußerte sich auch zum Verhältnis von Glauben und politischem Engagement. Die Kirche müsse eine gesunde Balance finden zwischen dem Auftrag, das geistliche Leben zu stärken und andererseits das „Wächteramt in der Gesellschaft“ wahrzunehmen. Weder könne die Kirche völlig unpolitisch sein, noch solle sie sich zu sehr auf politische Fragen beschränken. Sie solle deutlich machen, dass das Beten zum Leben gehöre und nichts Peinliches sei.

Es war gut, Afghanistan-Debatte anzustoßen

Weitere Themen der Veranstaltung waren der Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr und das Verhältnis zum Islam. Käßmann verteidigte ihre Äußerungen um die Jahreswende. In ihrer Neujahrspredigt in Dresden hatte sie den Einsatz mit den Worten kritisiert: „Nichts ist gut in Afghanistan.“ Die Äußerungen lösten eine intensive Debatte über den Krieg in dem Land aus. Es sei gut gewesen, diese Diskussion anzustoßen, sagte Käßmann. Allerdings würde sie heute gelassener auf manche Kritik reagieren. Hinsichtlich des Islams warb die ehemalige Kirchenleiterin dafür, die Reformbewegungen zu stärken. Der Islam dürfe nicht aufgrund von Terroristen unter einen Generalverdacht kommen. Zudem sprach sie sich gegen das Tragen eines Kopftuchs im öffentlichen Dienst und für den Islamunterricht an deutschen Schulen aus.

Von verlassenen Zechen und Kirchen

Der Geschäftsführer der RUHR.2010 GmbH, Oliver Scheytt (Essen), lobte das Engagement der Initiatoren des Martin Luther Forums Ruhr. Es befindet sich in einer ehemaligen Kirche und ist eines der offiziellen Projekte im Kulturhauptstadtjahr. Wie Scheytt sagte, setze das Forum ein Zeichen, wie man mit Kirchenschließungen umgehen könne. Nach seinen Worten gibt es Parallelen zwischen der Aufgabe von Kirchengebäuden und dem Schließen zahlreicher Zechen in den vergangenen Jahrzehnten. Sowohl die Zechentürme als auch die 120 Türme von entwidmeten Kirchen im Ruhrgebiet machten den teilweise schmerzhaften Wandel der Region deutlich.