21. Oktober 2021

Deutsche Linke in einem Boot mit türkischen Islamisten und Rechtsextremisten

Quelle: „Report Mainz“ (vom 7.6.2010)

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Fragwürdige Friedensmission
 

Da tauchen auf einmal Bundestagsabgeordnete von der Linken auf einem Schiff auf, das Kurs genommen hatte auf Gaza. Hilfsgüter wolle man in den von Israel abgeriegelten Gaza-Streifen bringen. Ein Auslandseinsatz, mit dem die Linke mal keine Probleme hat. Doch wer steckt hinter diesem Projekt, das sich mit prominenten Mitreisenden wie dem schwedischen Schriftsteller Henning Mankell schmücken konnte? Und waren die Mitreisenden wirklich alle in friedlicher Mission unterwegs? Eric Beres und Ahmet Senyurt sind diesen Fragen nachgegangen.

Bericht:
Die linke Bundestagsabgeordnete Annette Groth war auf dem türkischen Schiff, das die israelische Marine angegriffen hat. Vor Journalisten spricht sie dieser Tage auch gern über die Zeit vor dem Angriff. Über die Passagiere und die Stimmung an Bord.

O-Ton von Annette Groth: »Unglaublich gute Atmosphäre. Da saßen da etliche Gruppen auf Deck und haben gesungen und so.« Norman Paech, prominentes Mitglied der Linken aus Hamburg. Auch er war auf dem türkischen Schiff „Mavi Marmara“.

O-Ton, Norman Paech, Friedensaktivist: »Für mich war das wie auf einem Basar. Das war ein buntes Treiben.« Inge Höger, MdB der Linken, auch sie eine Passagierin der „Mavi Marmara“. O-Ton von Inge Höger: »Alle, die dieses Projekt unterstützen, konnten mitfahren und es waren überwiegend humanitäre Organisationen, die schon seit Jahren in humanitären Projekten zusammenarbeiten.«

Jeder konnte also mitfahren! Mit wem genau waren die Linken auf dem Schiff „Mavi Marmara“? Istanbul vor zwei Wochen. Die „Mavi Marmara“ läuft aus. Hunderte feiern den Aufbruch nach Gaza.

Ein türkischer Sender überträgt die Abschiedsfeier: »Oh ihr Juden … die Armee des Propheten Mohammed wird zurückkommen – so wie in Khaibar, ….Intifada bis zum Sieg!«

Intifada- also Aufstand gegen Israel bis zum Sieg! Hilfe für Gaza unter türkischer Flagge: Also nur eine Friedensmission? Die „Mavi Marmara“ – organisiert hat sie die IHH – offiziell eine türkische Hilfsorganisation mit Projekten weltweit. Doch was steckt genau hinter der IHH? Nachfrage bei den linken Aktivisten. Annette Groth, MdB, Die Linke: »Auf jeden Fall ist die IHH eine humanitäre Organisation, heißt für Menschenrechte und Freiheit.«

Inge Höger, MdB, Die Linke: »Islamisch vielleicht, aber nicht islamistisch!« Frage: Da haben Sie sich vorher informiert? Inge Höger, MdB, Die Linke: »Da habe ich mich vorher informiert!«

Die IHH – nicht islamistisch? Mete Cubukcu ist Chefredakteur beim türkischen Nachrichtensender NTV. Er sieht die IHH als Teil einer islamistischen Bewegung. Ziel: eine Gesellschaftsordnung auf Basis des Islam. O-Ton, Mete Cubukcu, Chefredakteur NTV: »Die IHH hat eine starke Milli-Görüs-Basis. Die Anhänger haben einen engen Bezug zu dieser islamistischen Bewegung. Aber das sagen sie auch selbst.«

Chef der IHH ist Bülent Yildirim. In den 90er Jahren soll er geholfen haben, Kämpfer für den Heiligen Krieg anzuwerben. Kurz vor dem Angriff der israelischen Marine gibt er an Bord der „Mavi Marmara“ ein Interview. Er sagt: »Wenn die Israelis uns attackieren, dann wird es in Städten wie Ankara, Istanbul oder Islamabad Aktionen gegen Israel geben. Israel ist in einer schwierigen Situation.«

Das erklärte Ziel also: Israel als Unrechtsstaat vorführen. Ein Ziel, das offensichtlich noch andere an Bord der „Mavi Marmara“ verfolgt haben. Im Internet hat das islamistische Mili-Görüs-Forum eine Liste mit türkischen Mitreisenden veröffentlicht.

Wir fragen den Islamwissenschaftler Michael Kiefer nach den türkischen Passagieren. Er beschäftigt sich seit Jahren mit türkischen Parteien und Gruppierungen: »Aus meiner Sicht heraus sind dies keine normalen Friedensaktivisten, wie wir die kennen, also Mitglieder der Friedensbewegung, die für politische Ziele eintreten, die fernab jeglicher Gewalt, fernab nationalistischer Zuspitzung da sind. Das sieht hier doch etwas anders aus.«

Auf der Liste: Autoren radikal-islamistischer Zeitungen und Funktionäre der Partei BBP – zum Beispiel deren Pressesprecher, präsentiert auf der parteieigenen Website. Die BBP: für Experten eine Partei mit antisemitischen und militanten Tendenzen. Unter anderem wird sie in Verbindung gebracht mit dem Mord an einem christlich-armenischen Journalisten im Jahr 2007. Jetzt also Funktionäre der BBP auf der „Mavi Marmara“.

O-Ton, Norman Paech, Friedensaktivist: »Wenn alle die gleichen Maßstäbe haben, humanitäre Güter nach Gaza ohne Gewalt, dann war das für uns sozusagen die Basis des Verständnisses. Und dann ließen wir auch die … wenn sie ihre ganzen anderen, vielleicht gewalttätigen Phantasien in der Türkei ließen, dann war das für uns auch kein Problem.«

O-Ton, Michael Kiefer, Islamwissenschaftler: »Also meines Erachtens kann man, wenn man Schnittmengen bilden möchte, könnte man durchaus sagen, dass die BBP ähnliche Dinge auffasst, also ähnliche Programmpunkte auffasst wie die NPD.«

Selbst die Linke sieht das ähnlich: In einer kleinen Anfrage vor drei Jahren ordnet die Bundestagsfraktion die BBP ins rechtsextreme Lager ein und zitiert den Verfassungsschutz: Die BBP gehöre zur Bewegung der „Grauen Wölfe“. Diese vertrete „eine rassistisch-nationalistische Orientierung“ und stehe für „Gewaltbereitschaft und am Führerprinzip ausgerichtete totalitäre Strukturen.“

Wir zeigen Annette Groth die Liste mit Passagieren von der BBP. O-Ton, Annette Groth, MdB, Die Linke: »Sie müssen mich dazu nicht befragen, fragen Sie doch die Dame von Pax Christi. Die kennt sich da vielleicht eher aus als ich. Ich bin da die falsche Ansprechpartnerin.« Frage: Aber Sie scheinen sich damit im Vorfeld nicht beschäftigt zu haben, wer da mitfährt? O-Ton, Annette Groth, MdB, Die Linke: »Ich beende das jetzt!«

Drei Linke und ihre Friedensmission. Im gleichen Boot mit Islamisten und Rechtsextremisten. Wenn es um die eigenen Ziele geht, haben sie offenbar wenig Berührungsängste.

Sendetermin: 07.06.2010, 22.00 Uhr, REPORT MAINZ, Das Erste

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