6. Dezember 2021

Sind Abtreibungen kein Thema mehr?

Quelle: ideaPressedienst vom 13.04.2010

LEBEN!

Die kirchliche „Woche für das Leben“ hat sich vom Ursprung entfernt
 

KOMMENTAR von Stefan Rehder

Die „Woche für das Leben“ feiert Jubiläum. Zum 20. Mal findet in diesem Jahr – vom 17. bis 24. April – die von der (katholischen) Deutschen Bischofskonferenz und dem Rat der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) durchgeführte Initiative statt. 1991 von der Bischofskonferenz und dem Zentralkomitee der deutschen Katholiken (ZdK) gestartet, sollte die „Woche für das Leben“ ursprünglich vor allem für den „Schutz des ungeborenen Kindes“ werben. Von diesem Ziel hat sich die Initiative längst entfernt. Wichtigster Grund: Die katholische Seite und die EKD – die seit 1994 zu den Initiatoren der „Woche für das Leben“ zählt – haben es längst aufgegeben, gegen die 1995 erfolgte Neufassung des § 218 zu opponieren. Auch wenn das in beiden Kirchen niemand gerne hört, ist es eine Tatsache: Die Kirchen haben sich – von einzelnen Stimmen abgesehen – damit abgefunden, dass in einem der reichsten Länder der Erde jedes Jahr hunderttausende unschuldige und wehrlose Kinder im Mutterleib getötet werden.

Sonst würden die Kirchen …
Wäre es anders, würden die Kirchen die Meldungen des Statistischen Bundesamtes, das jedes Quartal die Zahl der ihm gemeldeten Abtreibungen bekanntgibt, zum Anlass nehmen, eine Reform der Abtreibungsgesetzgebung zu fordern. Sie würden statt von Schwangerschaftsabbrüchen von vorgeburtlichen Kindstötungen sprechen. 40 Millionen Euro Steuergelder jedes Jahr für Abtreibungen Wäre es anders, würden die Kirchen – selbst wenn sie keine begründete Aussicht sähen, eine Änderung des § 218 zu erreichen – die Pervertierung des Rechtstaates thematisieren, die darin besteht, dass der Staat die Kosten der vorgeburtlichen Kindstötungen den Steuerzahlern aufbürdet. Mit mehr als 40 Millionen Euro subventionieren die 16 Bundesländer Jahr für Jahr Abtreibungen, die nach den geltenden gesetzlichen Bestimmungen zwar „straffrei“ erfolgen, aber nichtsdestoweniger „rechtswidrig“ sind. Seit der Änderung des § 218 haben die Steuerzahler damit mehr als 500 Millionen Euro für die Tötung ungeborener Kinder aufgewendet.

Rechtsbruch als Volkssport
Man braucht kein Prophet sein, um zu ahnen, welche Wirkung dies auf das Rechtsempfinden der Bürger und ihre Gewissen haben muss, für deren Bildung die Kirchen in besonderer Weise zuständig sind. Schon dass der Rechtsstaat den massenhaften Rechtsbruch nicht bloß hinnimmt, sondern durch die Errichtung eines flächendeckenden Netzes von Einrichtungen, die jene Scheine ausstellen, die zu „rechtswidrigen“, aber „straffreien“ Kindstötungen berechtigen, organisiert hat, lässt sich schwer nachvollziehen. Dass er den Rechtsbruch, der längst das Ausmaß eines Volkssports angenommen hat, aber auch noch subventioniert, kann von den meisten Bürger nur so verstanden werden: Der ungeborene Mensch ist ein wert- und würdeloses Wesen.

Kein Grund zum Feiern!
Wer, wenn nicht die Kirchen, müssten hier auf den Plan treten und – gelegen oder ungelegen – für die Würde und den unvergleichlichen Wert eines jeden Menschen als Ebenbild Gottes eintreten? Stattdessen behandelt die „Woche für das Leben“ seit Jahren Themen wie „Gesundheit – höchstes Gut“, „Gemeinsam mit Grenzen leben“ oder in diesem Jahr „Gesunde Verhältnisse“. In einem Staat, in dem es gut um den Schutz von Leib und Leben der Wehrlosen steht, mag das angehen. In einem Staat wie dem unseren ist es ein Skandal. Und sicher kein Grund zum Feiern.

[Der Autor, Stefan Rehder (Aachen), ist Sonderkorrespondent für Bioethik der Katholischen Zeitung für Politik, Gesellschaft und Kultur „Die Tagespost“]