6. Dezember 2021

Nun aber stehen „Glaube“, „Liebe“, „Hoffnung“…

Quelle: ideaPressedienst vom 23. April 2010

Wir bauen gemeinsam

Nach zweijähriger Bauzeit wird das neu gestaltete Allianzgelände am 20. Mai eingeweiht
 

Es ist die heimliche „Hauptstadt“ der Evangelikalen – Bad Blankenburg in Thüringen. Seit 1886 kommen dort Jahr für Jahr tausende Christen zu Treffen der Deutschen Evangelischen Allianz zusammen. Auch während der beiden deutschen Diktaturen fand in der heute 7.000 Einwohner zählenden Kleinstadt jedes Jahr die Allianzkonferenz statt. Zu DDR-Zeiten war sie mit 5.000 Teilnehmern das größte regelmäßig stattfindende Christentreffen im ganzen Land. In den vergangenen zwei Jahren wurde das traditionsreiche Gelände umfassend saniert. Am 20. Mai wird es eingeweiht. Matthias Pankau war dort und hat sich umgesehen.

Wo in Zukunft vor allem geistliche Gesänge erklingen sollen, kreischt momentan noch Brian Johnson – Frontmann der Altrocker von AC/DC aus den Lautsprechern eines kleinen Radios. Hier, im Andachtsraum im Dachgeschoss des neu errichteten Hauses „Glaube“, montiert ein Elektriker gerade die Deckenleuchten. Die Musik hat er sich zur persönlichen Inspiration mitgebracht. Reinhard Holmer, Leiter des Allianzhauses, stört das nicht. „Hier soll jeder hören, was er möchte – solang er seine Arbeit gut macht“, sagt er nüchtern. Holmer pendelt derzeit ständig zwischen seinem Büro und der Baustelle auf dem Allianzgelände, das seit 2008 umfassend umgestaltet wird. Zwei Häuser wurden saniert, ein drittes – das Haus „Glaube“ – erstand neu. Betrachtet man das Allianzgelände aus einiger Entfernung, stimmt die Silhouette schon wieder. Allein der Kran deutet darauf hin, dass noch gebaut wird. Aus der Nähe wird klar: Bis zur Einweihung am 20. Mai ist noch einiges zu tun. Doch Holmer ist zuversichtlich: „Wir schaffen das.“

75% sind finanziert
Ursprünglich sollte das Gelände bereits zur Allianzkonferenz 2009 fertig sein. Doch der ehrgeizige Zeitplan scheiterte u.a. an zwei langen und harten Wintern und der komplizierten Hanglage des Geländes. Andere Probleme habe man erst während der Bauarbeiten erkannt – etwa, dass die beiden alten Häuser überhaupt kein Fundament hatten. „Auf den gestampften Lehmboden waren lediglich Schieferplatten gelegt worden, auf denen die Häuser standen“, erzählt Holmer. Dieser Mehraufwand hat sich natürlich auch auf die Kosten ausgewirkt. Ursprünglich waren 3,6 Millionen Euro für das gesamte Vorhaben anvisiert. Alles in allem wird der Umbau jetzt wohl rund 4 Millionen Euro kosten. Davon seien 75% bereits finanziert durch Eigenkapital, Spenden und Fördergelder. Für die restlichen 25% habe man jetzt ein Bankdarlehen aufgenommen, so Holmer. Allerdings fielen dafür Zinsen an, die eine zusätzliche Belastung darstellten. Spenden seien deshalb weiterhin herzlich willkommen.

Fenstergestaltungen von Isolde Roßner - 19.03.2010

Andachtsraum im Dachgeschoss
Seine Führung beginnt er im Dachgeschoss des Neubaus. Bis zu 100 Christen soll der Andachtsraum mit dem hinreißenden Blick über die Stadt Platz bieten. Blickfang ist ein von der Künstlerin Isolde Rosner (Hohenstein-Ernstthal) gestaltetes buntes Bleiglasfenster. Es soll die Auferstehung Jesu und das leere Grab symbolisieren. Vor dem Fenster wird noch ein silberfarbenes großes Kreuz aufgestellt. „Dadurch soll deutlich werden, dass Kreuz und Auferstehung untrennbar zusammen gehören“, erklärt Holmer. Eine Etage tiefer, im zweiten Obergeschoss, befinden sich die Büros des Allianzhauses und der Evangelischen Allianz sowie der zentrale Empfang. Er ist von außen ebenerdig zugänglich und damit beispielsweise auch für Rollstuhlfahrer, die sich übrigens jetzt auf dem gesamten Gelände dank Fahrstühlen frei bewegen können, bequem zu erreichen.

Cafeteria und Saunabereich
Im ersten Obergeschoss, wiederum eine Etage tiefer, entsteht die Cafeteria. Besonders schön: Die weiträumige Terrasse, die bei gutem Wetter genutzt werden kann. Ebenfalls neu auf dieser Ebene: ein kleiner Wellness-Bereich mit Duschen und finnischer Sauna. „Viele Gäste erwarten heute einfach einen gewissen Ausstattungs-Standard“, erklärt Reinhard Holmer. „Außerdem sollen unsere Gäste hier im Allianzhaus nicht nur geistlich auftanken, sondern auch körperlich.“ Im Erdgeschoss befindet sich der neue Speiseraum, der bis zu 100 Gästen Platz bieten wird. Erweitert man ihn um den Nebenraum, können hier in Zukunft sogar bis zu 130 Gäste speisen. „Darüber freuen wir uns besonders“, sagt Holmer. „Der alte Speiseraum war um 1920 gebaut worden und nicht nur klein, sondern auch sehr dunkel.“

„Ein Presslufthammer ist Musik in meinen Ohren“
Ein Rundgang mit Reinhard Holmer über das Allianz-Gelände braucht Zeit. Denn für die Handwerker ist er als Herr des Hauses Ansprechpartner Nummer eins. Können die Kabel jetzt angeschlossen werden? Soll der Belag schon auf den Boden? An welche Wand kommt dieser Schrank? Kaum eine Frage, für die Holmer dieser Tage auf dem Bau nicht zuständig wäre. Geduldig beantwortet er alle Fragen. Zwischendurch klingelt immer wieder sein Handy. Der Bauherr – eine willkommene Abwechslung zum Pfarrerdasein? Holmer lacht, um dann ein lange gehütetes Geheimnis zu verraten: „Eigentlich wollte ich immer Bauingenieur werden. Als Kind habe ich stundenlang auf dem Bau Sand gesiebt. Das hat mir unheimlich Freude gemacht. Und ein Presslufthammer ist bis heute Musik in meinen Ohren.“ Vielleicht sei der ganze Umbau für ihn auch deshalb zwar anstrengend, aber kein Stress, meint er.

Die Gerüste sind gefallen. Nun kommt das Haus Liebe richtig zur Geltung.

60 Gästezimmer und genügend Parkplätze
Weiter geht es in den beiden sanierten Nebengebäuden – dem Haus „Liebe“ und dem Haus „Hoffnung“. Bis 2004 war hier ein Altenheim untergebracht. Jetzt erstrahlen sie in frischem Glanz und beherbergen jeweils acht Gästezimmer. Auch hier geht Holmer mit wachem Blick durch – und findet doch auch sofort eine Bodenleiste, die nicht fest angeschraubt ist und über die man stolpern kann. „Das muss gleich noch mal gemacht werden“, sagt er und greift zum Handy. Wenig später ist die Bodenleiste fest verschraubt. Insgesamt verfügt das Allianzhaus jetzt zusammen mit den bereits früher vorhandenen Kapazitäten über 60 Gästezimmer. Eine erfreuliche Nachricht für Autofahrer gleich dazu: Auch die Parkplatzsituation hat sich entspannt. 30 zusätzliche Parkplätze wurden eingerichtet.
 

Festakt mit Landesbischöfin und Ministerpräsidentin
Am 20. Mai werden die Parkplätze wohl dennoch nicht reichen: Rund 130 geladene Gäste aus Kirche, Wirtschaft und Politik werden zur offiziellen Einweihung des neu gestalteten Allianzgeländes erwartet, verrät Holmer. Unter ihnen die Bischöfin der Evangelischen Kirche Mitteldeutschlands, Ilse Junkermann (Magdeburg), ebenso wie die thüringische Ministerpräsidentin Christine Lieberknecht (CDU/Erfurt). Bundestagsvizepräsidentin Katrin Göring-Eckardt (Bündnis 90/Grüne) war in ihrer Funktion als Präses des Rates der EKD bereits Mitte April in Bad Blankenburg, um sich über das Projekt zu informieren. Rund um die Eröffnungsfeier bietet die Evangelische Allianz vom 19. bis 30. Mai außerdem eine „Allianzhaus-Eröffnungsfreizeit“ an. „Dazu sind alle Christen willkommen, die das neue Gelände kennenlernen und sich mit anderen Christen austauschen möchten“, so Holmer. Auch die Allianzvorsitzenden Jürgen Werth und Theo Schneider, sowie Generalsekretär Hartmut Steeb werden diese Tage mitgestalten.

Häuser „Glaube“, „Liebe“, „Hoffnung“
Doch langjährige Besucher des Allianzhauses brauchen keine Bange zu haben: Nicht alles neu macht der Mai. Gewisse Konstanten wird es auch nach dem großen Umbau geben. Etwa die Namen der Häuser. Darum hatte es im Vorfeld intensive Diskussionen gegeben. Die einen meinten, Namen wie „Haus der Liebe“ oder Haus der Hoffnung“ seien nicht mehr zeitgemäß und plädierten dafür, die Namen durch Ziffern zu ersetzen. Andere hielten dem entgegen, die Namen sorgten für eine gewisse Kontinuität im gesamten Umgestaltungsprozess. Schließlich einigte man sich im vergangenen darauf, die Besucher der Allianzkonferenz zu befragen. Das Ergebnis: Zwei Drittel waren für die Beibehaltung der Namen. „Wenn man die Gäste schon nach ihrer Meinung fragt, muss man das Ergebnis dann natürlich auch ernst nehmen“, sagt Holmer.
Nur eine geringfügige Änderung wird es geben: Das frühere „Haus der Liebe“ etwa wird in Zukunft nur noch „Haus Liebe“ heißen. „Die alte Bezeichnung rief bei manchen Gästen eher doppeldeutige Assoziationen hervor“, erklärt Holmer die Entscheidung. Neben dem „Haus Liebe“ stehen das Haus „Glaube“ und das Haus „Hoffnung“ – sie stellen die sanierte bzw. neu errichtete Trias auf dem Gelände. Außerdem gibt es noch das „Haus Frieden“, in dem sich bisher die Rezeption befand, und das „Haus Treue“, das zu DDR-Zeiten mit finanzieller Unterstützung aus dem Westen errichtet worden war.

„Hier gibt es immer was zu tun“
Ab 20. Mai sollen an allen Häusern dann auch Namensschilder die Orientierung erleichtern. An eine Baustelle soll dann nichts mehr erinnern. Wird dem leidenschaftlichen Hobby-Bauingenieur Holmer dann nichts fehlen? Der lacht: „Das wird auf diesem Gelände nicht die letzte Baustelle gewesen sein. Hier gibt es immer was zu tun.“