27. Januar 2022

Straßburger Kruzifix-Urteil wird neu aufgerollt

Quelle: idea.de

Europäischer Gerichtshof für Menschenrechte gibt Berufung Italiens statt. Foto: PR

Straßburg (idea) – Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte rollt den Fall um die Anbringung von Kreuzen in Klassenzimmern noch einmal auf. Das teilte das Gericht am 2. März in Straßburg mit.
 

Vor vier Monaten hatten die Richter entschieden, dass die Anbringung des christlichen Symbols in Unterrichtsräumen die Religionsfreiheit verletze. Geklagt hatte eine Mutter, die sich in Italien vergeblich gegen Kreuze in öffentlichen Schulen gewandt hatte. Das oberste italienische Verwaltungsgericht hatte 2006 entschieden, dass das Kreuz zu einem Symbol für die Werte Italiens geworden sei. Die Straßburger Richter sahen dies anders: Ihrer Ansicht nach seien Kruzifixe eindeutig religiöse Symbole. Sie könnten auf Kinder, die einer anderen oder gar keiner Religion angehörten, verstörend wirken. Protestanten im katholisch geprägten Italien – wie die Föderation Evangelischer Kirchen in Italien und die Evangelische Allianz – hatten das Urteil begrüßt. Die Allianz erklärte, sie setze sich zwar für christliche Werte in der Gesellschaft ein, doch brauche Italien einen „Übergang vom katholischen Monokonfessionalismus zur Achtung religiöser Vielfalt“. Die Straßburger Richter gaben jedoch der Berufung Italiens statt, so dass der Fall nun vor der Großen Kammer neu verhandelt wird.

Politikerin: Religion sichtbar leben

Die kirchenpolitische Sprecherin der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Flachsbarth (Berlin), begrüßte die Entscheidung. Die Religionsfreiheit dürfe nicht einseitig auf den Zwang zum Verzicht auf religiöse Symbole reduziert werden. Das Recht auf Glaubens- und Religionsfreiheit bedeute vielmehr, dass Religion sichtbar gelebt werden dürfe. Das Kreuz als Symbol für das Bekenntnis der Christen sollte auch in einer pluralen Gesellschaft seinen selbstverständlichen Platz in der Öffentlichkeit behalten. Bereits 1995 hatte das Bundesverfassungsgericht entschieden, dass eine staatlich angeordnete Anbringung von Kreuzen in Schulräumen gegen die Religionsfreiheit verstoße. Damit wurden Teile der Bayerischen Volksschulordnung von 1983 für verfassungswidrig erklärt, wonach in jedem Klassenzimmer ein Kruzifix oder zumindest ein Kreuz anzubringen war. Praktische Konsequenzen blieben aber weitgehend aus. Nach dem Willen der bayerischen Regierung soll das Kreuz im Klassenzimmer der Regelfall bleiben.