30. Juni 2022

Warum Freikirchen nicht „evangelikal“ sein wollen

Quelle: idea.de

Vereinigung Evangelischer Freikirchen

Frankfurt am Main (idea) – Die meisten Freikirchen in Deutschland wollen sich nicht als „evangelikal“ charakterisieren lassen. Das haben die Präsidentin der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF), die evangelisch-methodistische Bischöfin Rosemarie Wenner (Frankfurt am Main), und der VEF-Beauftragte am Sitz der Bundesregierung, der Baptistenpastor Peter Jörgensen (Berlin), unterstrichen.
 

In einem Interview mit dem Magazin „unterwegs“ der Evangelisch-methodistischen Kirche erläutern sie, warum die VEF-Mitgliedskirchen Anfang 2009 eine entsprechende Erklärung verabschiedet hatten. Der Bischöfin zufolge ist der Begriff „evangelikal“ sehr erklärungsbedürftig; er werde oft gleichgesetzt mit fundamentalistisch. Wenner: „Und das sind wir nicht.“ Den Freikirchen genüge „evangelisch“ als Kennzeichen, um die Vielfalt in ihren eigenen Reihen zu verdeutlichen. Man wolle sich aber keinesfalls von den evangelikalen Werten abgrenzen, stellt Wenner klar. Alle Freikirchen verträten evangelikale Grundansichten.

„So wahr mir Gott helfe“: Meinen es Politiker ernst?

Jörgensen zufolge steht die Deutsche Evangelische Allianz als Sprachrohr der Evangelikalen „im Einzelfall nicht immer für die Vielfalt in unseren Gemeinden“. Er äußerte sich auch zur Frage, was es bedeute, dass alle Mitglieder der schwarz-gelben Bundesregierung ihren Amtseid mit der Formel „So wahr mit Gott helfe“ bekräftigten. Er sei etwas skeptisch, dass es alle ernst meinten. Es sei geradezu in Mode gekommen, sich als religiös zu offenbaren. Zugleich äußerte sich Jörgensen erfreut darüber, dass er im Gebetsfrühstückskreis im Bundestag Politiker kennengelernt habe, deren Frömmigkeit seiner eigenen entspreche.

Glaube ist mehr als christliche Kultur

Als „sehr positiv“ empfindet es Jörgensen, dass die Freikirchen nie in enger Verknüpfung zum Staat gestanden hätten. Deshalb könnten sie glaubwürdiger auf den Unterschied zwischen einer allgemein christlichen Kultur und einem persönlichen Glauben hinweisen. Er kritisierte ferner Demonstrationen gegen den Bau von Moscheen, die damit begründet worden seien, das jüdisch-christliche Abendland sei in Gefahr: „Dabei demonstrierten Menschen, die weder vom Judentum noch vom christlichen Glauben eine Ahnung haben und mit dem Hinweis auf die jüdisch-christliche Kultur nur ihren Rassismus verdecken wollten.“ Zur VEF gehören neun Freikirchen als Mitglieder und fünf als Gastmitglieder. Zusammen haben sie etwa 275.000 Mitglieder.