29. Januar 2022

Misslungen, missverständlich und nicht geeignet

Quelle: idea.de

Der Vorsitzende des Fernsehrats, der CDU-Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz.

Mainz (idea) – Scharfe Kritik an einem Beitrag des ZDF über evangelikale Missionare und die Reaktion des Senders hat ein Ausschuss des zuständigen Fernsehrates geübt.
 

In dem Beitrag „Sterben für Jesus – Missionieren als Abenteuer“ im Polit-Magazin „Frontal 21“ am 4. August wurden Evangelikale in die Nähe islamischer Selbstmordattentäter gerückt. In der Abmoderation hieß es wörtlich: „Bereit sein, für Gott zu sterben. Das klingt vertraut – bei islamischen Fundamentalisten. Doch auch für radikale Christen scheint das zu gelten.“ An dieser Aussage nahm der zuständige Ausschuss des Fernsehrats, der Programmausschuss Chefredaktion, Anstoß. Die Formulierung sei „misslungen, missverständlich und für das Thema nicht geeignet“, fasste der Vorsitzende des Fernsehrats, der CDU-Bundestagsabgeordnete Ruprecht Polenz, das Ergebnis der Ausschussberatung am 23. Oktober in Mainz vor Journalisten zusammen. Der Ausschuss habe auch betont, dass das Thema selbst wichtig sei. Mit Blick auf den in den ZDF-Richtlinien verankerten Grundsatz der ausgewogenen Berichterstattung werde davon ausgegangen, „dass sich das ZDF in seinem Programm mit den unterschiedlichen Aspekten des Themas Mission weiterhin auseinandersetzt und dabei die gebotene journalistische Sorgfalt beachtet sowie notwendige Differenzierungen vornimmt“. Bei der Fertigung entsprechender Beiträge sollte „mittels kollegialer Beratung der im Hause vorhandene Sachverstand“ in Anspruch genommen werden. Der ZDF-Fernsehrat – dem 77 Repräsentanten von gesellschaftlichen Gruppen und Organisationen angehören – hat den Zwischenbericht am 23. Oktober entgegengenommen. Der Rat wird sich voraussichtlich in seiner nächsten Sitzung im Dezember abschließend mit der Sache befassen.

EKD rügte „ärgerliche Missgriffe und Pauschalurteile“

Die EKD-Vertreter im Fernsehrat, Kirchenamtspräsident Hermann Barth (Hannover), und das EKD-Ratsmitglied Marlehn Thieme (Frankfurt am Main) hatten dem Programmausschuss Chefredaktion die kirchlichen Einwände gegen den Frontal 21-Beitrag vorgetragen. Ihrer Ansicht nach enthielt der Beitrag „ärgerliche Missgriffe und Pauschalurteile“. Der christliche Märtyrergedanke sei völlig unbegründet in die Nähe der islamischen Selbstmordattentäter gerückt und als „unheilige“ Tradition diskreditiert worden. Die Autoren unterschieden nicht zwischen Märtyrern, die Gewalt erlitten und den eigenen Tod nicht suchten, und „Märtyrern“, die ihren Tod zur Waffe machten. Außerdem müsse gerade ein politisches Magazin klarstellen, dass ein Verbot missionarischer Aktivitäten im Widerspruch zur Charta der Menschenrechte von 1948 und zum Internationalen Pakt für bürgerliche Rechte von 1966 stehe. Die Staatengemeinschaft dürfe nicht hinnehmen, dass das Recht auf Religionsfreiheit ignoriert werde.

Nicht alle Evangelikalen in einen Topf werfen

Barth und Thieme zufolge ist an dem Beitrag auch problematisch, dass alle Evangelikalen in einen Topf geworfen würden. Es komme immer mehr auf die Kraft kritischer Unterscheidung an. Nicht zuletzt unter US-amerikanischem Einfluss gebe es im evangelikalen und charismatischen Lager problematische Erscheinungen. So rufe die Organisation „Jugend mit einer Mission“ ungute Gefühle und kritische Nachfragen hervor. Deren Rede von den „Festungen des Satans“ folge einer dualistischen Weltsicht und erinnere fatal an Ronald Reagans „Achse des Bösen“. Die Verwendung von Begriffen wie „fun“ (Spaß) oder „action“ im Zusammenhang der Vorbereitung auf missionarische Einsätze sei völlig unangemessen. Der Rat der EKD hatte bereits am 5. September eine verzerrte Darstellung von theologisch konservativen Protestanten in den Medien gerügt.