28. Mai 2022

Evangelikale sind: anti-feministisch und oft anti-islamisch

Quelle: idea.de

Marburg (idea) – Scharfe Kritik an der evangelikalen Bewegung hat der Sozialwissenschaftler und freie Journalist Jörg Kronauer (Köln) bei einer Veranstaltung in der Universität Marburg geübt. Die Evangelikalen seien anti-feministisch, lehnten die Gleichstellung von Homosexuellen ab, betrieben „aggressive Mission“ und verträten oft anti-islamische Positionen, sagte Kronauer bei einem Vortrag am 9. Juli.

Er sprach auf Einladung des Bündnisses „Kein Raum für Sexismus, Homophobie und religiösen Fundamentalismus“. Der Zusammenschluss hatte sich aus Protest gegen den (evangelikalen) Internationalen Kongress für Psychotherapie und Seelsorge gebildet, der im Mai in Marburg stattgefunden hatte. Das Bündnis von über 60 antifaschistischen, homosexuellen und gewerkschaftlichen Gruppen wollte das Treffen verhindern, weil dort nach seiner Ansicht „Homo-Heiler“ zu den Rednern gehörten. Kronauer sprach zum Thema „Christlicher Fundamentalismus auf dem Vormarsch?“ vor rund 100 Zuhörern, darunter zahlreichen Evangelikalen. Nach seinen Worten sind Fundamentalisten ein Teil der evangelikalen Bewegung, der die Bibel auch in historischer und naturwissenschaftlicher Hinsicht wörtlich nehme, etwa dass die Welt in sieben Tagen erschaffen worden sei.

„Erstarken“ der Evangelikalen

Kronauer rechnet mit einem „langsamen Erstarken“ der Evangelikalen in Deutschland, da ihnen das Vordringen konservativer Werte zuarbeite. Er bezeichnete sie als Gegenbewegung gegen die Modernisierung in Kirche und Gesellschaft. Es handele sich zum Teil auch um eine reaktionäre Bewegung, die die Entwicklung zurückdrehen wolle. So wollten Evangelikale Frauen das Recht streitig machen, selbst über ihren Bauch zu bestimmen. Sie setzten sich dafür ein, Abtreibung wieder unter Strafe zu stellen. Kronauer warf den Evangelikalen ferner eine „strukturelle Diskriminierung“ der Homosexuellen vor, da sie deren Gleichstellung ablehnten.

Morde als Folge von Missionsversuchen

Die Evangelikalen träten auch für ein weltweites Recht auf Mission ein. „Die dramatischen Folgen hat man im Jemen gesehen“, sagte Kronauer im Blick auf die Ermordung von zwei deutschen Bibelschülerinnen und einer südkoreanischen Lehrerin im Juni. Die Frauen aus Deutschland hatten als Praktikantinnen an einem Krankenhaus im Nordjemen gearbeitet. Kronauer zufolge haben sie „versucht, im Jemen zu missionieren, obwohl es verboten ist“. Diakonie sei bei den Evangelikalen immer mit einer missionarischen Absicht verbunden. Kronauer warf führenden Evangelikalen ferner vor, Kontakte zur „extremen Rechten“ zu pflegen. Sie träten etwa bei Veranstaltungen der Zeitung „Junge Freiheit“ auf, ließen sich von ihr interviewen oder verfassten Beiträge für sie.

Kritik von Besuchern am Referenten

In der kontroversen Aussprache nach dem Vortrag verwahrten sich evangelikale Besucher dagegen, mit rechtsextremen Kreisen in Verbindung gebracht zu werden. Kritisiert wurde auch, dass der Referent die evangelikale Bewegung nicht differenziert genug dargestellt und Linksevangelikale ausgeblendet habe. Eine Besucherin warf Kronauer vor, von den Evangelikalen ein Feindbild zu zeichnen. Eine Sprecherin des Veranstalters sagte, sie fühle sich als Homosexuelle durch „organisiertes Evangelikalentum“ bedroht, weil es „anti-emanzpiatisch, homophob und anti-feministisch“ sei.