23. November 2020

Wenn Bürger auf die Barrikaden gehen

Quelle: jungefreiheit.de

Blockade des Zufahrtswegs zum Pionierlager in Chemnitz-Einsiedel Foto: Facebook/Pegida-Chemnitz

von Felix Krautkrämer

Der Chemnitzer Stadtteil Einsiedel sorgt derzeit für Schlagzeilen. Die Bürger dort wehren sich gegen das Vorhaben, ein ehemaliges DDR-Pionierlager in eine Erstaufnahmeeinrichtung für Asylbewerber umzufunktionieren. Als sich am Montag die Nachricht verbreitete, die ersten Asylsuchenden seien nach Einsiedel unterwegs, machten sich bis zu 500 Bürger auf, die Zufahrtsstraße zum Pionierlager zu blockieren.

Nun ist die Aufregung groß. „Massen-Protest in Einsiedel nach rechter Facebook-Hetze“, schlug die Chemnitzer Lokalausgabe der Bild-Zeitung Alarm. Für viele Journalisten und linke Politiker steht einmal mehr fest: In Einsiedel zeigen Dunkeldeutschland und „Kaltland“ mal wieder ihr häßliches Gesicht. Und ausgerechnet die Linken-Politikerin Juliane Nagel schrieb auf Twitter: „Dauerbelagerung in Einsiedel. Wo bleibt die Staatsmacht?“

Doch ganz so einfach ist der Fall nicht. Denn in Einsiedel zeigt sich auch, was geschieht, wenn die Politik die Bürger in der Asylkrise ohne Informationen vor vollendete Tatsachen stellt.

Ortsvorsteher wehrt sich gegen Rechten-Vorwurf

„Das sind in der Masse keine Rechten“, sagt Falk Ulbrich über die Demonstranten vor dem Pionierlager. Ulbrich weiß, wovon er redet, denn der CDU-Kommunalpolitiker ist seit vergangenem Jahr Ortsvorsteher von Einsiedel, und er kennt die Sorgen der Bürger. Für ihn ist das Hauptproblem der mangelnde Informationsfluß.

„Die Leute wollen endlich Antworten auf ihre Fragen. Deswegen greifen sie zu solchen Mitteln. Sie wollen wissen: Wie viele kommen, wann kommen sie, wie lange bleiben sie, vielleicht für immer? Zu all dem gibt es keine Informationen. Wir wissen lediglich, daß das Pionierlager eine Erstaufnahmeeinrichtung werden soll“, kristiert Ulbrich im Gespräch mit der JUNGEN FREIHEIT. Seiner Ansicht nach herrsche in Einsiedel eine Mischung aus verschiedenen Ängsten und Sorgen. „Eine unbekannte Anzahl an unbekannten Menschen soll für unbekannt lange Zeit dort untergebracht werden.“ Das mache die Bürger nervös.

Und er ergänzt: „Wir kennen die Probleme, die es rings um die schon bestehende Erstaufnahmeeinrichtung in Chemnitz gibt. Abgeschlagene Autospiegel, eingeworfene Seitenscheiben, Massen, die nichts zu tun haben, Müll in den Vorgärten, Lärmbelästigung, Polizeieinsätze, Feuerwehreinsätze. Von anderen Dingen gar nicht zu reden.“

„Landesdirektion heitzt Situation an“

Nun drohten womöglich solche Verhältnisse auch in Einsiedel. Die Landesdirektion habe nicht einmal eine Obergrenze an Personen genannt. Derzeit seien 500 Asylbewerber im Gespräch. Wenn sich die Lage aber zuspitze, könnten es auch mehr werden. Und das, wo Einsiedel selbst gerade mal etwa 2.500 Einwohner habe.

Zehn Prozent, also 250 Asylsuchende, das wäre laut Ulbrich möglich. „Die können von den Kirchen, von den Vereinen und von den Bürgern vor Ort betreut werden. Das geht. Aber die Betreuung einer Erstaufnahmeeinrichtung können wir nicht leisten. Doch anstatt zu deeskalieren, heizt die Landesdirektion die Situation an, weil sie keine Informationen gibt. Die hätten gestern doch nur sagen müssen, heute kommen gar keine Flüchtlinge, und dann wären auch alle wieder nach Hause gegangen.“

Darüber hinaus seien aber weder das Pionierlager als Erstaufnahmeeinrichtung noch Einsiedel als Standort für eine solche geeignet. Die Verkehrsanbindung sei nicht ausreichend und es gebe lediglich einen kleinen Supermarkt. Das Pionierlager liege im Naturschutzgebiet und grenze an einen Wald.

Ulbrich wünscht sich „vernünftiges Konzept“

„Was sollen die Flüchtlinge denn dort machen, gerade wenn es Winter wird? Das ist doch auch für die nicht schön. Ich weiß, daß das Land händeringend Immobilien sucht, und offenbar sind wir mittlerweile an einem Punkt, wo jedes Kellerloch genommen wird. Aber das ist doch nicht richtig“, empört sich der CDU-Mann. Zudem könnten Feuerwehr und Polizei die Einrichtung mit so vielen Personen aufgrund der abseitigen Lage gar nicht ausreichend schützen, warnt Ulbrich.

Ihm ist es wichtig, deutlich zu machen, daß die Einsiedler nichts gegen Ausländer hätten. „Das Pionierlager war 25 Jahre eine Bildungseinrichtung. Auch mit internationalen Studenten, zum Beispiel aus China und Tunesien. Da gab es nie ein Problem“, betont er. Nun aber 500, 1.000 oder sogar 1.500 Flüchtlinge dort unterzubringen, von denen viele nur auf ihre Abschiebung oder Weiterverteilung warteten, sei etwas ganz anderes.

Sein Wunsch wäre es deshalb, das ehemalige Pionierlager weiter als Bildungseinrichtung zu nutzen. „Mit einem vernünftigen Konzept, zum Beispiel für junge Ausländer, die sich integrieren wollen. Die könnten hier Deutsch lernen und sogar eine Gastronomieausbildung machen. Dann käme am Ende vielleicht auch etwas Sinnvolles raus, von dem alle Beteiligten etwas haben.“ Nur dafür müsse man eben mit den Bürgern reden und Dinge gemeinsam mit ihnen entscheiden – anstatt über ihre Köpfe hinweg.

> Kommentar: Danke, Sachsen!