26. Januar 2022

Irak – Kein Platz für Christen

Quelle: OpenDoors

(Open Doors) – Von mehr als 1,2 Millionen Christen, die zu Beginn der 1990er Jahre im Irak lebten, sind bis zum Juni 2014 schätzungsweise noch etwa 300.000 übriggeblieben. Nach den schweren Angriffen in diesem Monat sind viele von ihnen ins benachbarte Ausland geflüchtet, etwa nach Jordanien, in den Libanon oder nach Syrien. Immer wieder kommt es zu Angriffen auf Kirchen, zu Entführungen und Morden, zu Raub, Vergewaltigung und Drohungen. Dieser neuerliche Exodus der Christen bedeutet eine weitere Schwächung der bereits gespaltenen Gesellschaft des Iraks. Nach Angaben des Erzbischofs von Mosul, Amel Nona, ist die Zahl der Christen in der Stadt seit dem Sturz Saddam Husseins im Jahr 2003 von 35 000 auf 3 000 gefallen. Doch mittlerweile haben auch diese letzten verbliebenen Christen ihre Häuser verlassen (wir berichteten). Einige Familien sind zurückgekehrt, weil sie keine Zuflucht finden konnten: „Es ist besser, zu Hause zu sterben, als auf der Straße zu leben“, so ihr bitteres Fazit.

Der chaldäische Geistliche Qais Kage sagt: „Der Vormarsch der ISIS-Milizionäre wird von großen Stämmen und sunnitischen Clans begünstigt. Was in Mosul passierte, ist bezeichnend: Ohne Unterstützung von innen kann niemand eine so große Stadt binnen weniger Stunden einnehmen. Das Chaos und die politische Spaltung des Landes aufgrund von Konflikten zwischen Schiiten und Sunniten begünstigen den Vormarsch der Militanten. Die irakische Armee hat ihnen alles überlassen.“

Open Doors hilft Flüchtlingen im Irak

Während sich der Norden des Iraks zu einem für Christen immer gefährlicheren Gebiet entwickelt, sehen sich die Binnenflüchtlinge im Kurdengebiet hoher Arbeitslosigkeit und unzureichenden Wohnmöglichkeiten gegenüber. Zudem fehlen Bildungseinrichtungen für ihre Kinder. Die gesundheitliche Versorgung ist mangelhaft, die monatlichen Lebensmittelrationen knapp. Open Doors startet in Kürze ein Soforthilfeprogramm für 2.000 irakische Flüchtlingsfamilien, um sie mit dem Notwendigsten zu unterstützen.

ISIS verstärkt Druck auf Christen

Der Irak belegt aktuell Rang 4 auf dem Open Doors Weltverfolgungsindex, einer jährlichen Rangfolge der 50 Länder in denen Christen weltweit am stärksten verfolgt werden. Die wesentliche Triebkraft für Verfolgung im Irak ist Open Doors zufolge der Islamische Extremismus. Entsprechende Gruppierungen streben eine religiöse Säuberung des Iraks an. Seit der Invasion des Iraks unter Führung der Vereinigten Staaten im Jahr 2003 hat sich die Lage dort aufgrund der Aktivitäten militanter Islamisten und Rebellengruppen ständig verschlechtert. Die Mitglieder der ISIS, einer sunnitischen Extremistengruppe, stammen aus dem Irak und Syrien. ISIS folgt einer extremen Islamauslegung, fördert konfessionell motivierte Gewalt und betrachtet selbst Anhänger anderer Auslegungen des Islams als Ungläubige oder vom Glauben Abgefallene. Nach eigener Aussage will ISIS einen islamistisch geführten Staat errichten, der den Irak und Syrien überspannt. Vor dem Hintergrund des syrischen Bürgerkriegs wurden 2013 im Irak verstärkt Kämpfer rekrutiert und Geldmittel für Al-Kaida nahe Gruppen gesammelt.

Rückkehr ins Mittelalter: Kopfsteuer für Christen

Aus der von ISIS kontrollierten nordsyrischen Provinz Raqqa berichten Christen, dass man sie vor die Wahl gestellt habe, zum Islam überzutreten, getötet zu werden oder einen ‚Dhimmi-Vertrag‘ zu unterzeichnen. Ein Dhimmi-Vertrag ist integraler Teil des traditionellen islamischen Scharia-Rechts. Er reicht bis in die Frühzeit des Islam zurück und verlangt von Nichtmuslimen – in diesem Fall von Christen – die Zahlung von Schutzgeldern. Dafür wird ihnen lediglich gestattet, sich zum Gottesdienst in der Kirche zu versammeln, nicht aber, den christlichen Glauben öffentlich zu zeigen.

Christen dürfen nicht schlecht über den Islam oder über Muslime reden. Verboten sind christliche Hochzeits- und Bestattungszüge, das Läuten von Kirchenglocken, das Beten in der Öffentlichkeit und Vorlesen der Heiligen Schrift in Hörweite von Muslimen. Christliche Symbole wie Kreuze können nicht offen gezeigt, Kirchen und Klöster nicht wieder aufgebaut werden. Unterzeichner eines Dhimmi-Vertrages unterwerfen sich zudem der islamischen Kleiderordnung (z. B. die Verschleierung der Frauen) und den Essensvorschriften, darunter dem Alkoholverbot. Etwa 20 christliche Leiter haben unter Druck einen solchen Vertrag unterzeichnet. Solange sie die Regeln einhalten, sind sie geschützt. Falls sie es nicht tun, werden sie ‚mit dem Schwert getötet‘. Auch im Irak beginnt die ISIS in von ihr kontrollierten Gebieten, solche Verträge zu etablieren.