20. Mai 2022

Hart aber fair: Schützenhilfe für die Schweiz

Quelle: jungefreiheit.de

Roger Köppel (l.) und Bernd Lucke (r.) bei hart aber faier. Foto Screenshot

KÖLN. Roger Köppel im Angriffsmodus: „Demokratie heißt: Das Volk ist der Chef, Herr Stegner. Und nicht ein bezahlter Politiker wie Sie.“ Der Angesprochene Ralf Stegner reagiert überrumpelt. Volksentscheide seien prinzipiell eine gute Sache, aber bitte nur bei Fragen, die „mit Ja oder Nein“ entschieden werden können. Mit anderen Worten: Plebiszite sind aus Sicht des SPD-Vizechefs gut, aber nur wenn ihm das Ergebnis gefällt.

Neben Köppel, dem Chef der Schweizer Weltwoche, sitzt Bernd Lucke, der Vorsitzende der Alternative für Deutschland (AfD). Und auch er haut die in gleiche Kerbe wie Köppel: „Wenn die Mehrheit der Schweizer keine unkontrollierte Zuwanderung will, dann sollten wir das akzeptieren. Meine Einschätzung ist, daß auch in Deutschland die Mehrheit keine unkontrollierte Zuwanderung möchte.“

Herzlich willkommen bei Frank Plasberg, der das Thema Schweizer Volksabstimmung über Zuwanderung diskutieren ließ. Die Schweiz ist ja ein ganz besonderer Staat. Die Steuern sind niedrig. Die Regierung mischt sich weniger in das Leben ihrer Bürger ein und läßt die Finger von außenpolitischen Abenteuern. Das Volk darf bei wichtigen Fragen mitbestimmen.

Die Schweiz wird öfter mal abgewatscht

Grund genug für deutsche Gutmenschen, unser Nachbarland abzuwatschen. Vor allem nach spektakulären Volksabstimmungen, die sehr oft gegen die Phalanx von Big Business, Big Labour und Big Media erkämpft werden. Denken wir nur an das Minarettverbot vor einigen Jahren.

Seit Sonntagabend sind die deutschen Volkserzieher wieder einmal ganz aus dem Häuschen, weil die Schweizer mehrheitlich dafür gestimmt haben, Einwanderung klaren Regeln zu unterwerfen. Die EU wertet dies als Affront und will noch mehr Freizügigkeit, obwohl in der Schweiz jetzt schon jeder Vierte Ausländer ist.

Den Part des deutschen EU-Anklägers teilten sich bei Plasberg der ARD-Reporter aus Brüssel, Rolf-Dieter Krause, und der ewig schlechtgelaunte SPD-Vize Ralf Stegner, der am Vortag Asterix-mäßig getwittert hatte: „Die spinnen, die Schweizer!“ Krause nannte die Schweizer mit Blick auf die Abstimmung schlicht „dumm“.

Sind Schweizer dumm?

Stegner kam aus seiner defensiven Haltung den Abend über nicht mehr raus, warf den Befürwortern des Schweizer Referendums vor, Angst zu schüren. Krause, der sich in der Vergangenheit auch schon mal EU-kritischer geäußert hatte, warf den Schweizern Rosinenpickerei vor. Sekundiert wurden die beiden von dem Wirtschaftswissenschaftler Michael Hüther, der vermutlich als akademisches Gegengewicht zu Lucke eingeladen worden war. Er trug die üblichen Bedenken „der Wirtschaft“ vor, also der multinationalen Großkonzerne. Ohne Zuwanderung seien „bestimmte Stellen zum Beispiel im Pflegebereich nicht zu besetzen“, argumentierte er. Was er meinte: nicht zu den jetzigen Löhnen zu besetzen. Denn natürlich geht es Wirtschafts- und Verbandsvertretern – Hüther ist Chef des Instituts der Deutschen Wirtschaft – vor allem darum, das Lohnniveau durch ein Überangebot an Arbeitskräften niedrig zu halten.

Köppel lief zu Hochform auf. Er war der Motor der Sendung. „Sie betrachten die Schweiz als eine Provinz der EU, aber das ist sie nicht“, sagte er und pries dann die Vorteile seines Landes an: „Wir kaufen der EU mehr ab – als die EU uns. Wir zahlen unsere Rechnungen und müssen nicht erst Kredite bekommen, damit wir ihnen was abkaufen, wie die Griechen.“ Danach lenkte Plasberg das Thema auch noch auf Hartz-IV-Zuwanderer wie die marokkanische Familie aus Spanien, die jetzt möglicherweise volle Leistungen durchgesetzt hat. Und Lucke kritisierte an Stegner, daß dieser „Bulgaren und Rumänen dazu zwingen will, daß sie Sinti und Roma besser behandeln“. Lucke: „Was ist das denn für ein Demokratieverständnis?“

Die Sendung wurde dominiert von diesen zwei Verteidigern der Schweiz, Lucke und Köppel. Beide stachen mit provokanten Thesen hervor. Dazu die bayerische Ministerin Christine Haderthauer (CSU), die mal so, mal so sprach und damit das ganze Dilemma der Union verkörperte. CDU und CSU wissen, daß auch ihre Wähler gegen den EU-Zentralismus sind, aber sie haben den Euro und die EU zum Dogma erklärt und sitzen nun in einer selbstgestellten Falle fest.

Am besten waren die Zuschauerreaktionen. Die sind immer überwiegend links. Egal welcher Sender, egal welches Thema. Nicht so in diesem Fall. Sowohl die befragten Passanten auf der Straße als auch die Kommentare in sozialen Netzwerken zeigten viel Sympathie für die Schweiz. Selten wird die Diskrepanz zwischen Politikern, Medien und sogenannten Wirtschaftsvertretern einerseits und dem Mann auf der Straße andererseits so deutlich wie beim Thema unkontrollierte Masseneinwanderung. „Es ist manchmal ein bißchen zuviel, wenn wir sagen, jeder kann kommen“, sagte eine Frau mittleren Alters. Es kann gut sein, daß eine entsprechende Abstimmung in Deutschland noch viel deutlicher ausfallen würde. (rg)