16. Oktober 2021

Türkei: Missionare auf „Schwarzer Liste“

Quelle: OpenDoors

Foto: OpenDoors

(Open Doors) – Ein kanadisch-amerikanischer Straßenprediger hat Istanbul am 14. Dezember verlassen, nachdem ihm das türkische Innenministerium mehrmals ohne Angabe von Gründen eine Aufenthaltsgenehmigung verweigert hatte. David Byle, der Leiter des Dienstes „Bibel-Korrespondenzkurs“, hat versucht, seinen Namen von der sogenannten „Schwarzen Liste“ entfernen zu lassen. Dazu wandte er sich an das türkische Innenministerium. In den vergangenen drei Jahren hat man Byle, 44, festgenommen, vor Gericht gestellt, ihm die Wiedereinreise in die Türkei verweigert und ihm die endgültige Abschiebung angedroht. Byle musste auch einige Zeit im Gefängnis verbringen. Nun wurde ihm wiederholt die Aufenthaltsgenehmigung verweigert.

„Schwarze Liste“ für Prediger aus dem Ausland

Byle wohnte mit seiner Familie seit 1999 in der Türkei. Seinen Lebensunterhalt bestritt der Evangelist von Spenden, die aus den USA und Kanada für ihn eingingen. Der Prediger vermutet, dass er wegen seiner evangelistischen Arbeit in Istanbul auf der „Schwarzen Liste“ steht. Zusammen mit einem Team hielt er dort in der Vergangenheit regelmäßig Straßenversammlungen ab. Sein Anwalt hat eine schriftliche Erklärung von den Behörden angefordert, warum ihm die Aufenthaltsgenehmigung verwehrt wird. Eine Erklärung blieb die Behörde bislang schuldig, schlug aber vor, er solle von seinem Heimatland aus ein Visum beantragen. So flog der US-Bürger nach Chicago, während seine Frau, eine Deutsche, und die fünf Kinder zwischen 8 und 14 Jahren in der Istanbuler Wohnung blieben. Bereits vor fünf Jahren prozessierte Byle gegen das Innenministerium, das ihm im November 2009 nach einer Festnahme „militante missionarische Aktivitäten“ und „Störung des öffentlichen Friedens“ vorgeworfen hatte. 2011 entschied das Gericht zu seinen Gunsten, aber die Behörde legte Berufung gegen das Urteil ein. Der Fall hängt in einem bürokratischen Rückstau fest, aber Byles Anwälte rechnen damit, dass der Oberste Gerichtshof der Türkei das Verfahren für 2014 auf die Agenda setzen wird.

Präzedenzfall für den Umgang mit Missionaren

Den Anwälten zufolge ist Byles Fall wichtig, weil er als Präzedenzfall für andere Missionare in der Türkei angesehen werden kann. Sollte Byle den Prozess in der Türkei verlieren, wollen seine Anwälte den Fall dem europäischen Gerichtshof für Menschenrechte vorlegen. Byle erzählte, dass er und sein Team vom Bibel-Korrespondenzkurs, dem er sogar zur amtlichen Anerkennung als Verein verholfen hat, seit etwa acht Jahren Straßeneinsätze machen, um über den Glauben an Jesus Christus zu sprechen. 2009 wurde der „Verein zur Verbreitung der Bibel“, so die wörtlich übersetzte offizielle türkische Bezeichnung, von der Regierung in Istanbul genehmigt. Gemäß der türkischen Verfassung haben alle Menschen das Recht, ihre Religion weiter zu verbreiten.

Prozess ist wichtig für die Kirche in der Türkei

„Selbst wenn Davids Vorgehen auf den ersten Blick etwas aggressiv wirkt, leisten er und seine Anwälte unserem Land und der türkischen Kirche einen wichtigen Dienst“, sagte Umut Sahin vom Rechtsausschuss der protestantischen Kirchen der Türkei. „David ist unschuldig und verdient es nicht, aus dem Land geworfen zu werden.“ Sahin ist Türke und hat sich vom Islam zum Christentum bekehrt; die Türkei hat ca. 5.000 türkisch-protestantische Konvertiten. Sahin schätzt, dass man in den letzten fünf Jahren mindestens 10 ausländischen Familien Visa und Aufenthaltsgenehmigungen verweigert oder sie ihrer missionarischen Aktivitäten wegen ausgewiesen hat. „Die Dinge haben sich verändert“, sagte Sahin. „Die Regierung greift auf die alten Methoden zurück. Bei der ersten Gelegenheit schiebt man die Missionare ab. Manchmal werden aufgrund fehlender Arbeitsgenehmigungen Geldstrafen verhängt. Der deutsche Parlamentarier Frank Heinrich (CDU) hat sich unterdessen schriftlich bei den türkischen Behörden für Byle eingesetzt. Heinrich ist auch Mitglied des Bundestagsausschusses für Menschenrechte und humanitäre Hilfe. Gegenüber dem überkonfessionellen Hilfswerk Open Doors sagte er unter anderem: „Ein demokratischer Staat mit garantierter Religionsfreiheit muss gestatten, dass Menschen ihren Glauben weitergeben.“