28. Mai 2022

Islam-Unterricht: Bestimmen radikale Muslime Inhalte mit?

Quelle: idea.de

Prof. Dr. Christine Schirrmacher ist promovierte Islamwissenschaftlerin, Professorin für Islamkunde an der Evangelisch-Theologischen Fakultät in Leuven/Belgien und wissenschaftliche Leiterin des Instituts für Islamfragen der Deutschen Evangelischen Allianz. Foto: islaminstitut.de

Die Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher (Foto) vom Institut für Islamfragen der Deutschen Evangelischen Allianz befürchtet, dass radikale Muslime Einfluss auf die Inhalte des islamischen Religionsunterrichts an nordrhein-westfälischen Schulen nehmen könnten. Da zum Beirat für den islamischen Religionsunterricht in NRW Verbände gehörten, „die regelmäßig in den Verfassungsschutzberichten von Bund und Ländern auftauchen“, könnten künftig Islamisten über Lehrpläne und Lehrmaterial sowie die Auswahl der Lehrkräfte mitentscheiden.

Bonn (idea) – Radikale Muslime können Einfluss auf die Inhalte des islamischen Religionsunterrichts an nordrhein-westfälischen Schulen nehmen. Das befürchtet das Institut für Islamfragen der Deutschen Evangelischen Allianz mit Sitz in Bonn. Als erstes Bundesland hat Nordrhein-Westfalen zum Schuljahresbeginn am 22. August den islamischen Religionsunterricht zunächst an Grundschulen eingeführt. Schulministerin Sylvia Löhrmann (Bündnis 90/Die Grünen) bezeichnete dies als „Meilenstein für mehr Integration in NRW“. Dort liegt die Zahl der muslimischen Schüler bei 320.000. Wie die promovierte Islamwissenschaftlerin Christine Schirrmacher (Bonn) in einer Pressemitteilung des Islam-Instituts schreibt, können künftig Islamisten über Lehrpläne und Lehrmaterial sowie die Auswahl der Lehrkräfte mitentscheiden. Denn zum Beirat für den islamischen Religionsunterricht in NRW gehörten Verbände, „die regelmäßig in den Verfassungsschutzberichten von Bund und Ländern auftauchen“ wie etwa die zum Islamrat gehörende Gemeinschaft Milli Görüs.

Beiratszusammensetzung „äußerst problematisch“

Der Beirat soll zunächst bis 2019 die Interessen der muslimischen Glaubensgemeinschaften vertreten, solange keine Körperschaft des öffentlichen Rechts als anerkannte islamische Religionsgemeinschaft als Ansprechpartner für den Staat existiert. Schirrmacher betrachtet die Zusammensetzung des Beirats als „äußerst problematisch“. Vier der acht Mitglieder würden von den vier großen konservativen islamischen Verbänden im Koordinierungsrat der Muslime (KRM) gestellt – der Türkisch-Islamischen Union der Anstalt für Religion (DITIB), dem Islamrat, dem Verband Islamischer Kulturzentren (VIKZ) und dem Zentralrat der Muslime in Deutschland (ZMD). Die übrigen Mitglieder ernenne das Bildungsministerium im Einvernehmen mit den vier Verbänden. Damit seien alle muslimischen Gruppen ausgeschlossen, die nicht vom KRM vertreten werden, etwa die Ahmadiyya oder die Schiiten. Der KRM vertritt nach Schätzungen 20 bis 30 Prozent der Muslime in Deutschland.

Islamisierung von Politik, Wirtschaft und Erziehung

Laut Schirrmacher bestehen Zweifel an der Eignung des Beirats. Dies betreffe nicht nur die fehlenden pädagogischen Qualifikationen der meisten Mitglieder und den Alleinvertretungsanspruch des Beirats für „den Islam“. Vielmehr hätten zwei Mitglieder in der Vergangenheit auch mit islamistischen Äußerungen auf sich aufmerksam gemacht. So habe die zum Islam konvertierte Aachener Grundschullehrerin Eva-Maria el-Shabassy in Veröffentlichungen das Schlagen von Ehefrauen durch ihre muslimischen Männer als „letzte Maßnahme“ gerechtfertigt. Ferner habe der Politikwissenschaftler, Religionslehrer und Generalsekretär des Islamrates Bruhan Kesici 1996 in einer wissenschaftlichen Arbeit von der Notwendigkeit eines islamischen Staates gesprochen, um unter anderem die islamischen Strafrechtsbestimmungen durchzusetzen. Er spreche sich ferner für eine schrittweise Islamisierung von Erziehung, Moral, Wirtschaft und Politik aus.

„Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen“

Kesici ist als Vizepräsident der Islamischen Föderation laut Schirrmacher bereits für den freiwilligen islamischen Religionsunterricht als 37 Berliner Schulen zuständig. Verfassungsschützer hätten immer wieder auf „Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen“ und auf den Einfluss der Milli-Görüs-Ideologie innerhalb der Föderation aufmerksam gemacht. Die wenigen Beobachter, die Zugang zum Islam-Unterricht in Berlin bekommen hätten, beklagten die mangelnde pädagogische Ausbildung der Lehrer und die fehlende „Außenperspektive“ im Unterricht. Statt die muslimischen Schüler auch zur Kritikfähigkeit gegenüber der eigenen Tradition zu befähigen, gehe es der Föderation fast nur um die Verkündigung ihres eigenen Islamverständnisses.

Türkische Behörde hat Einfluss auf deutschen Unterricht

Problematisch ist laut Schirrmacher auch die Vertretung der DITIB im NRW-Beirat. Die Organisation sei eng mit der türkischen Religionsbehörde Diyanet verbunden, die Ministerpräsident Recep Tayyib Erdogan unterstellt sei und Predigten für die Moscheen in der Türkei und Deutschland liefere. Aus Sicht der Wissenschaftlerin ist die Gefahr einer Islamisierung des Religionsunterrichts in NRW sowie der Instrumentalisierung des Staates und seiner religiösen Neutralität nicht von der Hand zu weisen.