17. September 2021

Ist ein Ex-General in die Christenmorde verwickelt?

Quelle: idea.de

Die drei ermordeten Christen von Malatya: Ugur Yüksel, Tilmann Geske und Necati Aydin (v. l.). Foto: onesimus

Im Prozess um die Ermordung von drei Mitarbeitern eines christlichen Verlages in der Türkei – darunter der Deutsche Tilmann Geske – gibt es neue Erkenntnisse: Die Staatsanwaltschaft verdächtigt den prominenten Ex-General Hursit Tolon, an dem Verbrechen beteiligt gewesen zu sein.

Malatya (idea) – Im Prozess um die Ermordung von drei Christen in der Türkei haben sich neue Erkenntnisse ergeben. Am 18. April 2007 wurden im ostanatolischen Malatya der Deutsche Tilmann Geske sowie die Türken Necati Aydin und Ugur Yüksel brutal getötet. Fünf junge Männer hatten die Mitarbeiter eines christlichen Verlages gefesselt, gefoltert und ihnen die Kehlen durchgeschnitten. Die Täter wurden unmittelbar nach der Bluttat verhaftet und vor Gericht gestellt. Laut Anklage wurden sie von rechtsradikalen Kreisen im Staatsapparat zu dem Verbrechen angestachelt. Der im November 2007 begonnene Prozess ist noch nicht abgeschlossen. Verzögerungen ergaben sich sowohl durch überraschende Beförderungen des Richters und des Staatsanwaltes als auch durch die Forderung der Kläger, die Hintergründe des Verbrechens genau zu untersuchen. Dies führte dazu, dass die Staatsanwaltschaft jetzt einen prominenten Ex-General, Hursit Tolon, verdächtigt, in die Ermordung der Christen verwickelt zu sein. Presseberichten zufolge wurde bereits eine zusätzliche Anklageschrift eingereicht. Das Verfahren soll am 18. Juni fortgesetzt werden.

Geheimbund will Staat destabilisieren

Tolon befindet sich wegen seiner mutmaßlichen Mitwirkung im rechtsgerichteten Geheimbund Ergenekon in Untersuchungshaft. In beschlagnahmten Dokumenten werden Mordkomplotte gegen Christen als Mittel zur Destabilisierung des türkischen Staates beschrieben, darunter auch der Überfall auf die Christen in Malatya. Insgesamt gab es in der Türkei zwischen 2003 und 2007 mehr als 100 Angriffe auf Christen. Schlagzeilen machten die Morde an dem italienischen Priester Andrea Santoro im Februar 2006 und dem armenisch-türkischen Journalisten Hrant Dink im Januar 2007.

Seit 2007 weniger Übergriffe auf Christen

Nach Angaben des Journalisten und Buchautors Adem Yavuz Arslan ist seit dem Beginn der Ergenekon-Ermittlungen im Jahr 2007 und der Verhaftung der mutmaßlichen Anführer des Geheimbundes die Zahl der Übergriffe auf Christen stark zurückgegangen. Allerdings müsse mit weiteren Morden an Christen gerechnet werden, wenn der Fall Ergenekon nicht gründlich aufgearbeitet werde, sagte Arslan der Zeitung „Todays Zaman“. Obwohl die Verfassung der Türkei Religionsfreiheit garantiert, sind Christen im Alltag Schikanen, bürokratischen Hürden und Benachteiligungen ausgesetzt. Sie werden oft als Agenten des Westens angesehen, die die türkische Staatssicherheit gefährdeten. Von den 75 Millionen Einwohnern der Türkei sind etwa 120.000 Christen.