9. Mai 2021

Die Kirchen- in eine Kultursteuer umwandeln?

Quelle: idea.de

Foto: PR

Hannover/Berlin (idea) – Mit der Forderung, die Kirchensteuer in eine Kultursteuer nach italienischem Vorbild umzuwandeln, haben Politiker aus den Reihen von Bündnis 90/Die Grünen eine neue Diskussion über die Kirchenfinanzierung entfacht.

Die neun Katholiken, darunter drei Bundestagsabgeordnete, veröffentlichten anlässlich des Deutschen Katholikentages vom 16. bis 20 Juni in Mannheim ein Papier, in dem sie einen neuen Aufbruch der katholischen Kirche fordern. Darin fragen sie: „Ist es sinnvoll zuzuschauen, dass viele Menschen wegen der Kirchensteuer aus unserer Kirche austreten?“ Die Grünen-Politiker – darunter der kirchenpolitische Sprecher der Bundestagsfraktion, Josef Winkler – plädieren deshalb für eine Kulturabgabe, die alle Bürger an eine gemeinnützige Institution ihrer Wahl entrichten. Sie beträgt in Italien 0,8 Prozent von der Lohn- und Einkommenssteuer. Dieser Vorstoß findet bei der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) keine Unterstützung. Die Kultursteuer sei in Italien historisch gewachsen, aber für Deutschland nicht sinnvoll, sagte EKD-Pressesprecher Reinhard Mawick (Hannover) auf Anfrage der Evangelischen Nachrichtenagentur idea (Wetzlar). Er bezeichnete die Kirchensteuer als die „beste Art, die Kirche zu finanzieren“. Außerdem handle es sich um ein „sehr gerechtes System“: „Jedes Kirchenmitglied wird nach seiner Leistungsfähigkeit besteuert. Wir haben keinen Grund, von diesem bewährten Verfahren abzuweichen.“

Kirchenaustritte nicht Folge der Kirchensteuer

Mawick hält die Argumentation, dass Kirchenaustritte vor allem eine Folge der Kirchensteuer seien, nicht für plausibel: „Wer die Kirche verlässt, drückt damit meist seine Distanz zur Kirche oder zum christlichen Glauben aus.“ Deshalb sei es wichtig, dass die Kirche missionarisch auf die Menschen zugehe, denn wer sich mit ihr identifiziere, werde nicht zum Kirchenaustritt neigen. Die Kirchensteuer sei auch deshalb sinnvoll, weil sie der Kirche Planungssicherheit für die Finanzierung ihrer vielfältigen Arbeit gebe, von der die Gesellschaft in hohem Maße profitiere: „Schließlich sind die Kirchen nach dem Staat der zweitgrößte Arbeitgeber in Deutschland.“ Gegen eine Kultursteuer spricht laut Mawick auch, dass sie zu einer „ganz engen Verzahnung mit dem Staat führen würde, und das wollen wir gerade nicht“. Das evangelische Kirchensteueraufkommen betrug im vergangenen Jahr 4,51 Milliarden Euro; das waren 2,8 Prozent mehr als 2010. Die katholische Kirche erhielt 4,92 Milliarden Euro, was einem Plus von 2,6 Prozent entspricht. In Baden-Württemberg und Bayern zahlen Kirchenmitglieder 8 Prozent ihrer Lohn- und Einkommenssteuer an die Kirchen, in den übrigen Bundesländern neun Prozent.