9. Mai 2021

Atheismus in Ostdeutschland als Chance betrachten

Quelle: idea.de

Der Direktor des Instituts zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung an der Universität Greifswald, Prof. Michael Herbst. Foto: PR

Zwickau (idea) – Den verbreiteten Atheismus in den östlichen Bundesländern sollten Christen nicht nur als Problem, sondern auch als Herausforderung und Chance betrachten. Diese Ansicht vertrat der Direktor des Instituts zur Erforschung von Evangelisation und Gemeindeentwicklung an der Universität Greifswald, Prof. Michael Herbst, am 13. Mai bei der Landeskonferenz des sächsischen Gemeinschafts- und EC-Verbandes in Zwickau.

Wie er vor den rund 4.500 Besuchern sagte, „ist die Geschichte von Jesus für diese Menschen taufrisch und neu“. Die Erfahrung zeige, dass man auf Dinge, die man noch nicht kenne neugieriger reagiere als auf bereits Bekanntes. Er sei sich daher nicht sicher, ob die Zeiten, in denen noch fast alle Menschen zur Kirche gehörten, „besser waren für’s Evangelium“. In den westlichen Bundesländern, in denen noch die überwiegende Mehrheit in der Kirche sei, könne man vielerorts ein „Gewohnheitschristentum“ beobachten, so Herbst. Der Theologe räumte allerdings ein, dass es heute viele verschiedene Wege brauche, um Menschen für den christlichen Glauben zu gewinnen. Auch nähmen sich Erwachsene heute vielmehr Zeit, diesbezüglich eine Entscheidung zu treffen. Die Landeskirchlichen Gemeinschaften bezeichnete Herbst als einen „Ort innerhalb der Landeskirche, zu dem ich eine große Nähe verspüre“. Die Liebe zu Jesus und zur Bibel sowie die Bereitschaft zur Mission verbinde ihn besonders mit den Pietisten. In seiner Predigt ermunterte er die Besucher, auch in Zeiten von Niederlagen und Krankheit auf Jesus zu vertrauen: „Eigene Schwäche bedeutet nicht, von der Gnade Jesu abgeschnitten zu sein.“ In solchen Momenten, in denen eigene Worte zum Gebet fehlten, könnten Psalmgebete oder Choräle eine Hilfe sein.

Umgang mit der Zeit: Von der Bibel lernen

In einem Seminar zum Thema „Umgang mit der Zeit“ ermutigte Herbst dazu, in einem ausgewogenen Rhythmus zwischen Wachen und Arbeiten einerseits und Ruhen und Feiern andererseits zu leben. Auch unter Christen gebe es Menschen, die meinten, ohne sie laufe in der Firma nichts, weshalb sie täglich Überstunden machten. Dies sei auf Dauer jedoch ungesund, da das Leben kein Sprint, sondern ein Marathon sei. Herbst riet dazu, bei bevorstehenden Aufgaben zwischen Wichtigkeit und Dringlichkeit zu unterscheiden. Nicht alles, was dringend sei, sei auch wichtig: „Es ist beispielsweise nicht dringend, dass sie mit ihrem Kind spielen, lesen oder beten. Aber es ist unheimlich wichtig.“ Die Bibel lehre Demut, was den Umgang mit der Zeit angehe: „Der Prediger wusste, dass unsere Zeit unverfügbar ist.“ Davon könnten Menschen auch heute noch lernen. Sie sollten ihr Leben zwar planen, dabei aber stets mit „göttlichen Störungen“ rechnen, sagte Herbst. „Es gibt Störungen, die Gott uns schickt, weil er möchte, dass wir in diesem Moment alles andere stehen und liegen lassen.“ Als Beispiel nannte der Theologe die Episode vom Barmherzigen Samariter.

Berthold: Kirchenaustritte nach Synodenbeschluss

Der Vorsitzende des Landesverbandes Landeskirchlicher Gemeinschaften in Sachsen, Prof. Johannes Berthold (Moritzburg), bezeichnete die aller zwei Jahre stattfindende Landeskonferenz als „Fest des Glaubens und der Begegnung“. Dabei werde immer wieder deutlich, dass die Bibel nicht nur „ein Lese-, sondern ein Lebensbuch“ sei, das auch heute Orientierung biete. Mit Blick auf die Debatte um das Zusammenleben gleichgeschlechtlicher Partner im Pfarrhaus erklärte Berthold auf Anfrage von idea, dass es nach dem Beschluss der Landessynode Ende April Kirchenaustritte innerhalb des sächsischen Gemeinschaftsverbandes gegeben habe. Zahlen konnte er nicht nennen. Die Gemeinschaften vor Ort würden diesen Christen aber weiterhin eine geistliche Heimat bieten, betonte er. Die Synode hatte beschlossen, zwar am Leitbild von Ehe und Familie für Pfarrer festzuhalten, das Pfarrhaus in „seelsorgerlichen Einzelfällen“ aber auch für gleichgeschlechtliche Partner zu öffnen. Der Gemeinschaftsverband wolle sich in dem von der Synode beschlossenen Gesprächsprozess nun um eine Schärfung des Profils bemühen, kündigte Berthold an. Allerdings dürften auch davon keine Wunder erwartet werden, was die gesamte sächsische Landeskirche angehe: „Die Volkskirche ist weit und muss es auch sein. Eine Bekenntniskirche wird aus ihr nie werden.“ Die Landeskonferenz stand in diesem Jahr unter dem Thema „Mir reicht’s“.