3. Dezember 2021

Kirchenleiterin: Osterglaube hängt nicht am leeren Grab Jesu

Quelle: idea.de

Die Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus: Erst durch die Begegnung mit dem Auferstandenen wird Glauben geweckt. Foto: EKvW

Bielefeld (idea) – Der Osterglaube hängt nicht daran, ob das Grab Jesu leer war oder nicht. Diese Ansicht vertritt die neue Präses der Evangelischen Kirche von Westfalen, Annette Kurschus (Bielefeld), in einem Interview mit der Evangelischen Nachrichtenagentur idea (Wetzlar).

Kurschus zufolge hat die Entdeckung des leeren Grabes bei den Nachfolgern Jesu Furcht und Zittern ausgelöst, aber keinen Glauben geweckt. Der Glaube entstehe erst durch die Begegnung mit dem Auferstandenen. Kurschus: „Der auferweckte Jesus Christus ist unterschiedlichen Menschen erschienen – zuerst den Frauen, dann den Jüngern, schließlich auch dem Apostel Paulus und etwa 500 weiteren Zeugen. Diese Begegnungen sind für mich die entscheidenden Ostererfahrungen, nicht das leere Grab.“ Zwar spiele die Frage, ob das Grab Jesu leer war oder nicht, für sie keine große Rolle, doch habe sie keine Mühe zu glauben, dass es leer gewesen sei, so Kurschus. Man könne Menschen viel überzeugender zum Glauben einladen, wenn man von ihnen nicht verlange, sofort zu 100 Prozent als überzeugter Christ dabei zu sein. Vielmehr müsse man ihnen die Möglichkeit geben, ihre Zweifel und ihr Befremden zu äußern. Kurschus: „Von den Menschen der Bibel lernen wir: Glaube und Unglaube gehen immer Hand in Hand.“ Es dürfe einen jedoch nicht unberührt lassen, dass fast ein Drittel der Protestanten mit der Auferstehung nichts anfangen kann. Auf die Auferstehung der Toten gründe sich die christliche Hoffnung. Würde sich der Glaube allein auf das Hier und Jetzt beschränken, wäre er jämmerlich und klammerte sich letztlich an eine Geschichte des Scheiterns, so die Präses.

Wie Verkündiger begeistern können

Um für das das Evangelium zu begeistern, sollten Verkündiger von ihren eigenen Glaubenserfahrungen erzählen. Dazu gehörten zum Beispiel Situationen, in denen man mit der eigenen Kraft und Weisheit am Ende war und Stärkung und Trost durch Gott erfuhr. Kurschus: „Die Menschen wollen nicht wissen, was ich theoretisch für wahr halte, sondern sie wollen spüren, was mich im Innersten trägt und wovon ich selber lebe. Sie wollen wissen, wie der Glaube an die Auferstehung mein Leben verändert.“ Mit der Verheißung des ewigen Lebens verbinde sich ein Leben bei Gott, das von Raum und Zeit entgrenzt sei. Diese Hoffnung verändere das Leben in der Gegenwart. Sie könne gelassener und demütiger machen: „Die Aussicht, dass wir eines Tages von Gott bei unserem Namen gerufen werden und Rechenschaft abzulegen haben, verleiht unserem Leben Würde und nimmt uns in Verantwortung für unser Tun und Lassen. Es ist nicht gleichgültig und beliebig, wie ich mein Leben gestalte.“

Wer gehört zu den Verlorenen?

Kurschus äußerte sich auch zum Jüngsten Gericht. Es werde oft als Drohbotschaft eingesetzt. Man solle sein Leben jedoch nicht in Furcht und Zagen verbringen. Gott wolle, dass alle Menschen gerettet werden. Allerdings spreche die Bibel zugleich davon, dass es „Verlorene“ geben wird. Diese Spannung lasse sich weder auflösen noch weglügen. Die Frage, wer einmal zu den Verlorenen gehören werde, dürfe man getrost Gott überlassen. Die 49 Jahre alte Kurschus ist seit 4. März Präses (lateinisch „Vorsitzende“) der Evangelischen Kirche von Westfalen. Damit steht erstmals eine Frau an der Spitze der mit 2,4 Millionen Mitgliedern viertgrößten deutschen Landeskirche.