3. Dezember 2021

Piraten wollen am Karfreitag tanzen

Quelle: idea.de

Der zur hessen-nassauischen Kirchenleitung gehörende Gießener Propst Matthias Schmidt sieht in der Piraten-Demonstration eine „Provokation“. Foto: PR

Gießen (idea) – Mit einer Tanzdemonstration am Karfreitag will die Piraten-Partei in Gießen gegen das im hessischen Feiertagsgesetz festgeschriebene Tanzverbot an kirchlichen Feiertagen protestieren.

Der zur hessen-nassauischen Kirchenleitung gehörende Gießener Propst Matthias Schmidt sieht darin eine „Provokation“. Über die kirchliche Kritik hinaus ist um das Vorhaben in der Universitätsstadt eine Kontroverse entbrannt. Der Stadtverordnete der Piraten, Christian Oechler, will mit der Aktion „Tanzen gegen das Tanzverbot“ um 18.30 Uhr auf den Kirchenplatz auch für die Trennung von Kirche und Staat demonstrieren. Während das Ordnungsamt die Demonstration bisher nicht genehmigen will, wollen die Piraten mit einem Eilantrag die Rechtslage vom Verwaltungsgericht Gießen klären lassen. Regierungspräsident Lars Witteck (CDU) hat das Tanzverbot verteidigt. An die Landräte und Oberbürgermeister schrieb er, Hessen sei ein christlich-abendländisch geprägtes Land, das durch Zuwanderung zwar vielfältiger und lebendiger geworden sei, in dem es der Respekt vor den christlichen Traditionen jedoch gebiete, die Regeln an den höchsten christlichen Feiertagen einzuhalten.

Pirat: Verbot ist nicht zeitgemäß

Auf seiner Facebook-Seite forderte Oechler, dass Feiertagsgesetz aus dem Jahr 1971 „an das 21. Jahrhundert“ anzupassen: „Das Verbot ist nicht mehr zeitgemäß, denn es beschränkt die Rechte und diskriminiert die Freiheit von Andersgläubigen, Agnostikern und Atheisten in unangemessener Weise.“ Während das Gesetz in Mittelhessen früher nicht oder nur mit wenig Nachdruck angewandt worden sei, habe der Regierungspräsident in den letzten Jahren strenger auf die Einhaltung geachtet, „weil er Mittelhessen für ein christlich geprägtes Abendland hält und das Zeitalter der Aufklärung ausblendet“.

Propst: Demonstration ist intoleranter Akt

Propst Schmidt sagte der Evangelischen Nachrichtenagentur idea, die geplante Demonstration „zur Todesstunde Jesu“ sei ein „intoleranter Akt“. Für viele Menschen sei der Karfreitag ein wichtiger religiöser Tag. Eine Demonstration für mehr Toleranz zu Lasten religiöser Überzeugungen könne die Kirche nicht hinnehmen. Ob das hessische Feiertagsgesetz novelliert werden müsse, darüber könne man aber durchaus mit der Kirche verhandeln, „aber nicht durch eine solche unangemessene Aktion“.

Evangelische Allianz: Verständnis für Piraten

Der Vorsitzende der Evangelischen Allianz Gießen, Pastor Torsten Pfrommer von der Freien evangelischen Gemeinde, zeigte Verständnis für das Anliegen der Piraten: „Es ist politisch legitim, über die Frage nachzudenken, ob das Feiertagsgesetz mit dem Tanzverbot in einer säkularen und postchristlichen Gesellschaft noch zeitgemäß ist.“ Zugleich begrüßte er die eindeutige Stellungnahme des Regierungspräsidenten. Doch könnten die christlichen Hintergründe des Tanzverbots nicht mehr als bekannt vorausgesetzt werden. Evangelikale seien deshalb aufgerufen, „neu mit den Menschen über das Evangelium ins Gespräch zu kommen“. Ob und wie die mit der Evangelischen Allianz verbundenen Gemeinden auf die Tanzdemonstration reagieren, sei noch nicht besprochen, sagte Pfrommer.

2011: Prozessionsteilnehmer wurden ausgepfiffen

Im vergangenen Jahr hatte die Grüne Jugend eine ähnlichen Aktion durchgeführt. Bei dem „Smartmob“ – bei dem sich die Teilnehmer über Facebook und Handy verabreden – hatten sich am Karfreitag auf dem Römerberg in Frankfurt am Main über 1.500 Personen versammelt. Sie tanzten still zur Musik aus Kopfhörern. Durch den Smartmob war aber eine Karfreitagsprozession der kroatischen-katholischen Gemeinde mit mehreren hundert Christen gestört worden. Manche wurden von den Demonstranten ausgepfiffen und beleidigt.