28. Januar 2022

Was tun mit überzähligen Kirchen?

Quelle: idea.de

Blick auf die Radfahrerkirche der Stadt Wehlen - Foto: anschi / pixelio.de

Marburg/Rostock (idea) – In Deutschland gibt es rund 27.000 evangelische Kirchen und Kapellen. Für ihren Erhalt gibt die EKD jährlich 1,2 Milliarden Euro aus – dazu kommen noch Spenden, Stiftungen und Zuwendungen der Denkmalpflege. Doch angesichts sinkender Mitgliederzahlen und schrumpfender Einnahmen können nicht mehr alle Gebäude unterhalten werden. Wie man mit dieser Situation umgehen soll, darüber diskutieren Theologen, Architekten, Stadtplaner und Soziologen beim 27. Evangelischen Kirchbautag vom 23. bis 25. Juni in Rostock.

Der Leiter des Kirchenbauinstituts der EKD, Prof. Thomas Erne (Marburg), spricht sich in einem Interview mit der Evangelischen Nachrichtenagentur idea dafür aus, über den Abriss einzelner Kirchen nachzudenken: „Man muss schon über die ein oder andere Kirche diskutieren dürfen. Nicht alle befinden sich am richtigen Standort und nicht alle sind gelungen.“ Gebäude, „die nicht mehr stimmiger Ausdruck unserer Erfahrung mit Gott sind“, müsse man verabschieden können. Erne: „Wenn da keiner Einspruch erhebt, kann ich mir vorstellen, dass man da auch mal mit dem Abrissbagger kommen kann.“

„Von einem Verkauf würde ich abraten“

Erne zufolge findet derzeit ein grundlegender Wandel beim Kirchbau statt. In der Zeit nach dem Zweiten Weltkrieg seien – bedingt durch Flüchtlingsströme und Bevölkerungswachstum – zahlreiche neue Kirchen entstanden. Dagegen stehe die Kirche heute vor der Frage, wie man intelligent schrumpfen könne. Erne: „So weit es geht, sollten wir jede Kirche erhalten. Wo jedoch die Baulast die Gemeinde erstickt, müssen wir den Mut haben, eine Kirche zuzusperren oder zur Not auch abzureißen. Von einem Verkauf würde ich abraten, denn dann hat man keine Möglichkeit mehr, zu bestimmen, was mit ihr geschieht. Es wäre für die Kirchen desaströs, wenn man auf sie zugeht und nicht mehr weiß, was in ihnen geschieht.“

Wie man Kirchen auch nutzen kann

Erne schlägt auch neue Nutzungsmöglichkeiten für Kirchen vor. So könne man eine Dorfkirche zur Herberge für Fahrradpilger umbauen. Denkbar seien auch Kulturkirchen, in denen Ausstellungen oder Theatervorführungen stattfinden. Zudem sollte man das Gottesdienstangebot innerhalb einer Stadt ausweiten: So könnte es in der einen Kirche den klassischen Gottesdienst geben, in der nächsten einen experimentellen mit Kunst, neuen liturgischen Formen und modernen Medien und in der dritten einen Familiengottesdienst. Dafür müssten sich die Gemeinden untereinander absprechen. Zudem sollten sie die Bürger stärker am Thema Kirchengebäude beteiligen, etwa indem man sie den Kirchgarten umgraben oder sie das Gemeindehaus renovieren lässt. Gemeinden sollten zudem überlegen, ob sie ihre Räume für eine Musikschule, soziale Beratungsdienste, ein Café oder einen Kindergarten zur Verfügung stellen.

Gegen Umwandlung in Moschee

Kritisch steht Erne der Umwidmung von Kirchen zu Moscheen gegenüber. Dies halte er zum jetzigen Zeitpunkt weder für möglich noch für sinnvoll. Erne: „Das würde dem ohnehin schon komplizierten Verhältnis zwischen Christen und Muslimen nicht weiterhelfen.“