30. Juni 2022

Bremer Bürgerschaftswahl: CDU lässt bei Kirchenmitgliedern Federn

Quelle: idea.de

Wahlgewinner Grüne: Der Bundesvorstand gratuliert Spitzenkandidatin Linnert. Foto: Flickr.com/Bündnis 90/Die Grünen

Bremen (idea) – Protestanten und Katholiken haben bei der Bürgerschaftswahl in Bremen maßgeblich zur Wahlschlappe der CDU beigetragen. Noch 21 Prozent der evangelischen Wähler gaben ihr die Stimme; das waren 5 Prozent weniger als vor 4 Jahren. Noch stärker – nämlich um 9 Prozent auf 32 – sank der Rückhalt bei den Katholiken. 16 Prozent der Konfessionslosen bzw. Anhänger anderer Religionen votierten für die CDU – 3 Prozent weniger als 2007.

Die SPD konnte ihren Anteil bei den Protestanten um 1 Prozent auf 41 steigern. 32 Prozent der Katholiken (+3) und 36 Prozent der Anderen (+2) stimmten für die Sozialdemokraten. Die Grünen erhielten – ebenso wie die CDU – 21 Prozent (+7) von den Protestanten, 18 Prozent von den Katholiken (+4) und 27 Prozent von den Anderen (+5). Die Linke verlor bei allen religiösen Gruppierungen (Protestanten: -2; Katholiken: -1; Andere: -4). Von den evangelischen und katholischen Wählern stimmten jeweils 4 Prozent für die Linke; bei den Anderen waren es 9 Prozent. Die FDP kam bei den Protestanten auf 3 Prozent (-4), bei den Katholiken auf 5 (+/-0) und bei den Anderen auf 2 Prozent (-4). 4 Prozent der Evangelischen und jeweils 3 Prozent der Katholiken und Anderen votierten für die Gruppierung „Bürger in Wut“ (BiW). Das geht aus einer Wahlanalyse von infratest dimap (Berlin) hervor. Von den etwa 660.000 Einwohnern des Bundeslands Bremen sind etwa 41 Prozent evangelisch und 11 Prozent katholisch; die übrigen sind konfessionslos oder gehören anderen Religionen an.

CDU nur noch drittstärkste Kraft

Nach einer Hochrechnung des Landeswahlleiters erhielt die SPD 38,6 Prozent (+1,9) der Stimmen. Für die Grünen votierten 22,5 Prozent (+6). Die CDU sackte um 5,5 Prozent auf 20,1 ab und wurde nur noch drittstärkste Kraft. Außerdem vertreten ist die Linke mit 5,9 Prozent (Minus 2,5). Die FDP scheiterte mit 2,4 Prozent (-3,6) an der 5-Prozent-Hürde. Hingegen kann die Vereinigung „Bürger in Wut“ (BiW) mit einem Sitz rechnen. Erstmals konnten die rund 500.000 Wahlberechtigten in Bremen – darunter etwa 10.000 16- und 17-Jährige – jeweils 5 Stimmen auf Personen oder Parteien verteilen. Wegen der aufwändigen Auszählung steht das Endergebnis erst einige Tage nach der Wahl fest. Der bisherige Bürgermeister Jens Böhrnsen (SPD) kann seine Koalition mit den gestärkten Grünen fortsetzen.

Motschmann: Politischer Einsatz lohnt sich

Nach Ansicht der Vorsitzenden des Evangelischen Arbeitskreises der CDU (EAK) in Bremen, Elisabeth Motschmann, ist die Wahlschlappe ihrer Partei auch darauf zurückzuführen, dass die Christen zu wenig politisch engagiert waren. Motschmann stand auf Platz 3 der CDU-Liste und wird wieder in die Bürgerschaft einziehen, wo sie bereits als kirchenpolitische Sprecherin der CDU amtierte. Direkt gewählt wurde ferner die stellvertretende EAK-Vorsitzende Sigrid Grönert. Die Erwachsenenbildnerin gehört der Paulus-Gemeinde in Bremen-Habenhausen (Mülheimer Verband Freikirchlich-Evangelischer Gemeinden) an. Wie Motschmann der Evangelischen Nachrichtenagentur idea auf Anfrage sagte, zeige Grönerts Beispiel, dass sich das politische Engagement von Christen aufgrund des neuen Persönlichkeitswahlrechts in Bremen besonders lohne.

„Nichts Gutes“ für Religionsunterricht

Nach ihrer ersten Einschätzung sind die herben Verluste der CDU auch darauf zurückzuführen, dass es in Bremen keine „Wechselstimmung“ gegeben habe. Die geringe Wahlbeteiligung (56,7 Prozent) lasse vermuten, dass viele potentielle CDU-Wähler gar nicht erst an die Urnen gegangen seien, weil sie davon ausgingen, dass sich an der politischen Konstellation nichts ändern werde. Motschmann erwartet, dass der stärkere Einfluss der Grünen Auswirkungen auf das religiöse Klima haben wird. So habe ihr Abgeordneter Hermann Kuhn am 12. Mai in der Bürgerschaft die jüdisch-christliche Leitkultur als „Phantom“ bezeichnet. Der größere Einfluss der Grünen bedeute auch „nichts Gutes“ für den Religionsunterricht. Seit Jahrzehnten klagen die Kirchen darüber, dass der Biblische Geschichtsunterricht, wie er in Bremen genannt wird, zu oft ausfällt oder unzureichend erteilt wird. Die Bremische Evangelische Kirche (BEK) erwägt die Einrichtung einer eigenen Schule.

BEK: Hohe Erwartungen an Rot-Grün

Die Pressesprecherin der Kirche, Sabine Hatscher, erklärte gegenüber idea, sie gehe davon aus, dass viele in der BEK sehr zufrieden seien, dass bei der Bürgerschaftswahl keine nennenswerten Stimmen für rechtsextreme Parteien und Gruppierungen abgegeben worden seien. Viele Gemeinden und Einrichtungen, die großen Wert auf ökologische und soziale Verantwortung legen, hofften jetzt, dass die Bestätigung der rot-grünen Koalition auch eine entsprechende Tagespolitik für mehr Klimaschutz und soziale Gerechtigkeit nach sich ziehen werde: „Immerhin lautet unser Schwerpunktthema momentan ‚Armut und Reichtum in Bremen – gemeinsam für eine soziale Stadt’“. Die BEK sei auch Mitinitiatorin der bundesweiten Kampagne „Atomkraft Schluss!“. Von der Bremer Landesregierung erhoffe man sich stets eine Stärkung des Biblischen Geschichtsunterrichts in den Schulen. Die BEK umfasst 67 weitgehend eigenständige Gemeinden mit 230.000 Mitgliedern.

Allianzvorsitzender: Politik für Benachteiligte

Pastor Andreas Schröder, Vorsitzender der Evangelischen Allianz in Bremen, sagte auf Anfrage von idea, er persönlich hoffe auch auf eine Stärkung des Religionsunterrichts sowie des sozialen Engagements der Landesregierung für die benachteiligten Menschen. Schröder ist Pastor der Matthäus-Kirchengemeinde, die das Sozialprojekt „Ein Zuhause für Kinder“ betreibt. Die Evangelische Allianz umfasst in Bremen 27 deutschsprachige Gemeinden aus Landes- und Freikirchen, 17 internationale Gottesdienste und Bibelgruppen sowie 23 weitere Initiativen.