19. Januar 2022

Wie sieht die Kirche in 30 Jahren aus?

Quelle: idea.de

Foto: Ekart Hartmann / pixelio.de

Hannover (idea) – Wie wird die evangelische Kirche in knapp 30 Jahren aussehen? Auf jeden Fall wird sie voraussichtlich zahlenmäßig wesentlich kleiner sein. Das sieht die EKD in ihrer Kirchenmitgliederprognose voraus. Danach schrumpft die Zahl bis 2040 aufgrund der Bevölkerungsentwicklung, der Austritte und geringerer Zahl von Kindertaufen um rund ein Drittel im Vergleich zu 2009.
 

Unter der Voraussetzung, dass sich die gegenwärtige Entwicklung fortsetzt, würde die Mitgliederzahl der Landeskirchen um etwa 8 Millionen auf 16 Millionen sinken. 4 Millionen sind auf den Bevölkerungsrückgang zurückzuführen, 2 Millionen auf Austritte und ebenfalls 2 Millionen auf die kleinere Zahl von Kindertaufen. Die Leiterin des Referats „Statistik“ im Kirchenamt der EKD, Christiane Kayser (Hannover), erläutert die Prognose in einem Artikel, den idea veröffentlicht. Wie sie schreibt, führe die neue Prognose trotz der negativen Entwicklungen zu einem günstigeren Ergebnis als eine Vorausberechnung für 2002 bis 2030. Damals habe man mit 17,6 Millionen Kirchenmitgliedern im Jahr 2030 gerechnet; jetzt gehe man von 18,4 Millionen aus. Die neue Einschätzung sei auf einen leichten Rückgang der Austrittszahlen zurückzuführen.

Künftige Elterngeneration wird kleiner

Der stärkste Faktor für den Mitgliederrückgang ist die Bevölkerungsentwicklung: Es sterben mehr Menschen, als Kinder geboren werden. Im Jahr 2009 hatten 6,5 Millionen evangelische Kirchenmitglieder das 65. Lebensjahr überschritten; die meisten dürften das Jahr 2040 nicht mehr erleben. Etwa 4,2 Millionen waren unter 20 Jahre alt und stellen damit die künftige Elterngeneration. Es sei abzusehen, dass es ihnen selbst bei gleichbleibender Kinderzahl und entsprechenden Taufen nicht gelingen werde, die Sterbezahlen auszugleichen, so Kayser. Anders als in der Gesamtbevölkerung könne der dadurch hervorgerufene Mitgliederverlust in der evangelischen Kirche nicht durch Zuwanderung aufgefangen werden. Migranten kämen meist aus muslimischen oder anderen nicht-christlichen Ländern, und die wenigen Christen gehörten in der Regel der römisch-katholischen oder einer orthodoxen Kirche an.

Aufnahmen kompensieren Austritte nur teilweise

Ein weiterer Faktor für sinkende Mitgliederzahl sind die Kirchenaustritte. Zwar sind die Zahlen in den vergangenen zehn Jahren leicht gefallen, doch kehren jährlich zwischen 120.000 und 170.000 Menschen der evangelischen Kirche den Rücken. Etwa 60.000 – also rund ein Drittel – werden durch Aufnahmen und Übertritte kompensiert. Meist fallen die Austritte in die Zeit der beginnenden Berufstätigkeit zwischen 20 und 30 Jahren; sie dezimieren damit die künftige Elterngeneration zusätzlich, so Kayser.

Weniger Kindertaufen

Negativ auf die Mitgliederentwicklung wirkt sich auch die sinkende Taufquote aus. Das ist der Anteil evangelischer Kindertaufen an den Geburten insgesamt. Er ist in den vergangenen 15 Jahren um 12 Prozent gesunken. Dabei spielt auch die ethnische Veränderung eine Rolle: Je größer der Anteil der Migrantenkinder ist, desto stärker geht der Anteil der Kinder evangelischer Eltern zurück und damit auch die Taufquote.

Ungebundene Menschen mit dem Evangelium erreichen

Die EKD wird die Mitgliederentwicklung nicht tatenlos hinnehmen. Wie Kayser schreibt, will sie dem Negativtrend durch eine innere und äußere Erneuerung im Rahmen ihres Reformprozesses entgegenwirken. Zwar lasse sich der Bevölkerungswandel kurzfristig nicht ändern, aber die Kirche habe trotzdem Chancen. Kayser: „Je größer die Gruppe der religiös ungebundenen Menschen ist, desto größer ist aber auch das Potential, das man mit der christlichen Botschaft erreichen und damit für die Kirche gewinnen bzw. zurückbringen kann.“