28. Januar 2022

Passen Demokratie und Islam zusammen?

Quelle: idea.de

Foto: Flickr.com/Freestylee

Köln (idea) – Welche Vorstellungen von Demokratie, Religion und Wirtschaft stecken hinter den Volksaufständen in Nordafrika und dem Nahen Osten? Dieser Frage geht das Institut der deutschen Wirtschaft (Köln) in seinem Informationsbrief „Wirtschaft und Ethik“ nach. Seit Jahresbeginn begehren in zahlreichen islamisch geprägten Staaten Oppositionelle gegen autoritäre Regime auf – von Marokko, Algerien, Tunesien, Libyen und Ägypten bis hin zu Bahrain, Syrien, Jordanien und dem Jemen.
 

Alle Volksbewegungen verlangen nach Freiheit, Demokratie und Wohlstand. Ungeklärt ist nach Angaben des Instituts, ob die Menschen wirklich eine Demokratie nach westlichem Vorbild haben wollen, wie stark der Einfluss der Religion sein soll und ob ein marktwirtschaftliches System gewünscht ist. Kein einziges Land mit islamischer Bevölkerungsmehrheit könne als lupenreine Demokratie gelten. Freilich sei die Sehnsucht nach dieser Staatsordnung groß; in Jordanien und Ägypten sei sie sogar stärker als in manchen westlichen Ländern. Wie der World Value Survey (Welt-Werte-Untersuchung) zeige, seien 86 Prozent aller Jordanier und 78 Prozent aller Ägypter der Auffassung, dass Demokratie äußerst wichtig sei. Zum Vergleich: In Deutschland sind weniger Bürger dieser Meinung, nämlich 76 Prozent.

Großer Einfluss des Islam auf den Staat

Auch wenn der Wunsch nach Demokratie in Nordafrika und Nahost weit verbreitet ist – die Akzeptanz des islamischen Religionsgesetzes, der Scharia, ist es ebenso. Das habe Auswirkungen auf die Staats- und die Wirtschaftsordnung, so das Institut. Wie es weiter hervorhebt, weicht das Demokratieverständnis in islamisch geprägten Ländern erheblich von westlichen Vorstellungen ab. Hier gehe Demokratie einher mit freien Wahlen und der Durchsetzung des Willens der Mehrheit. In der islamischen Welt sei hingegen der Einfluss der Religion groß. Auf die Frage, ob es für eine Demokratie zentral wichtig sei, dass religiöse Autoritäten die Gesetze interpretieren, gaben in Deutschland, den Niederlanden oder Schweden nicht einmal zwei Prozent eine zustimmende Antwort. Anders in Jordanien und Ägypten: Dort antworteten mehr als 50 Prozent mit Ja. Das Institut: „Die Idee einer religiösen Auslegung von Gesetzen ist in den arabischen Staaten insgesamt deutlich ausgeprägter als in westlichen.“

Demokratie bedeutet Wohlstand

Wie das Institut weiter schreibt, sei der Wunsch nach Freiheit und Demokratie möglicherweise nicht das wirklich bestimmende Ziel der Menschen in Nordafrika und dem Nahen Osten. An erster Stelle wollten sie, dass es ihnen wirtschaftlich besser gehe. In Tunesien und Ägypten gingen vor allem junge Arbeitslose auf die Straße. Rund 70 Prozent aller Jordanier und Ägypter sähen eine florierende Wirtschaft als wesentliches Charakteristikum einer Demokratie an. Auch in Marokko, dem Iran oder Indonesien setzten die meisten Bürger Demokratie mit dem wirtschaftlichen Erfolg eines Landes gleich. Es gehe ihnen darum, international den Anschluss wiederherzustellen. Das Institut: „Ob dies mit ihrem Verständnis von Religion, Demokratie und Marktwirtschaft möglich ist, bleibt abzuwarten.“