29. Januar 2022

Beckstein: Kein Plagiat

Quelle: idea.de

Foto: Thomas Schneider

(idea) – Evangelische Politiker, Theologen und Ethiker warnen davor, den Stab über Verteidigungsminister Karl-Theodor zu Guttenberg (CSU) zu brechen. Bei der moralischen und geistlichen Bewertung seiner Doktorarbeit mit fehlenden Zitatquellen seien zahlreiche Aspekte zu beachten, zum Beispiel: Hat er wissentlich gehandelt oder sind ihm Fehler unterlaufen? Und: Von welchen Motiven lassen sich die Aufklärer leiten?
 

Der frühere bayerische Ministerpräsident Günther Beckstein (Nürnberg) hält die möglicherweise mangelhafte Zitierung für einen „Flüchtigkeitsfehler“, dem man dem Minister nicht so „massiv ankreiden“ dürfe. Zwar müsse er sich möglicherweise mangelnde wissenschaftliche Sorgfalt eingestehen, es handele sich aber keinesfalls um ein „Plagiat“, sagte Beckstein der Evangelischen Nachrichtenagentur idea. Er amtiert auch als Vizepräses der EKD-Synode. Rücktrittsforderungen hält er für „absurd“. Es sei offensichtlich, dass eine Kampagne gegen den beliebten CSU-Politiker laufe. Er halte es auch für „übertrieben“, bis zur Klärung der Vorwürfe durch die Universität Bayreuth vorübergehend auf den Doktortitel zu verzichten. Das hatte der Verteidigungsminister am 18. Februar erklärt. Er räumte zwar Fehler in seiner Dissertation ein; zu keinem Zeitpunkt habe er aber bewusst getäuscht. Er habe die 2006 vorgelegte Arbeit in sieben Jahren neben seiner Tätigkeit als Politiker und seinen Verpflichtungen als junger Familienvater angefertigt.

Theologieprofessor: „Geschlampt“?

Der Erlanger Theologieprofessor Manfred Seitz mahnte gegenüber idea, das Ergebnis der Überprüfung durch die Universität Bayreuth abzuwarten. Hin und wieder träten bei einigen Dissertationen im Nachhinein formale Mängel zutage; heute sei dies durch elektronische Überprüfungen leichter festzustellen als früher. Es könne sein, dass zu Guttenberg „geschlampt“ habe. Aus geistlicher Sicht falle der Diebstahl geistigen Eigentums ebenso wie materieller Güter unter das biblische Gebot „Du sollst nicht stehlen“. Die Bibel bezeichne auch unwissentliche Verfehlungen als Sünde. Aber bei Reue und einem Bekenntnis des Sünders vor Gott könne er auf Vergebung zählen.

Holthaus: Welche Motive haben die Aufklärer?

Ähnlich äußerte sich der Dekan der Freien Theologischen Hochschule Gießen, der Ethiker Stephan Holthaus. „Diebstahl geistigen Eigentums ist nicht zu rechtfertigen. Für ethische Urteile über die Integrität eines Menschen ist jedoch die Motivfrage zu beachten“, erklärte er gegenüber idea. So sei zu fragen, ob hinter fehlenden Quellenangaben eine bewusste Täuschungsabsicht stehe oder ob es „unabsichtliche Schlamperei“ gewesen sei. Holthaus: „Darauf kann man bei einigen Textpassagen schließen, die zwar nicht in den Fußnoten, aber in der Bibliografie belegt werden.“ Man müsse auch die Zusicherung des Ministers hören, dass er nicht willentlich getäuscht habe. Für ethisch bedenklich hält Holthaus „die offensichtliche Jagd der Guttenberg-Gegner, einen erfolgreichen und beliebten Minister zu Fall bringen zu wollen.“ Da müsse man fragen: „Welche Motive stecken dahinter?“