29. Juni 2022

Christenmorde in Malatya: Ein Anstifter verhaftet

Quelle: idea.de

Malatya/Izmit (idea) – Im Prozess um die Ermordung von drei Christen in der südosttürkischen Stadt Malatya ist ein mutmaßlicher Anstifter festgenommen worden.

Malatya/Izmit (idea) – Im Prozess um die Ermordung von drei Christen in der südosttürkischen Stadt Malatya ist ein mutmaßlicher Anstifter festgenommen worden.
 

Der Haftbefehl wurde erlassen, nachdem Zeugen ausgesagt hatten, dass der Journalist Varol Bulent Aral an der Vorbereitung der Bluttat beteiligt gewesen sei. Aral soll ein Verbindungsmann zu den Drahtziehern aus der nationalistischen, islamisch orientierten Bewegung Ergenekon gewesen sein. Der dreifache Mord liegt dreieinhalb Jahre zurück. Am 18. April 2007 wurden der Deutsche Tilmann Geske sowie zwei Mitarbeiter des protestantischen Zirve-Verlags in Malatya, Necati Aydin und Ugur Yüksel, ermordet. Fünf junge Männer fesselten und folterten die Opfer, bevor sie ihnen die Kehlen durchschnitten. Aral war schon einmal verhaftet worden. Nach Angaben des Informationsdienstes Compass Direct sagte der Mithäftling Orhan Kartal vor Gericht aus, dass Aral erzählt habe, wie er die fünf Täter psychologisch auf die Morde vorbereitet habe. Hinter ihm stehe eine hochgestellte Persönlichkeit – der frühere General Veli Kucuk. Ein weiterer Zeuge, Erhan Ozen, arbeitete ehemals beim Gendarmerie-Geheimdienst JITEM. Dort habe man bereits 2004 die Ermordung der Christen in Malatya und des armenischen Schriftstellers Hrant Dink geplant. Er wurde am 19. Januar 2007 in Istanbul auf offener Strasse erschossen. Es wird vermutet, dass die Organisation Ergenekon in die Bluttaten verwickelt ist. Ihr gehören frühere Generäle, Politiker und andere Schlüsselpersonen an. Die türkische Generalstaatsanwaltschaft stuft sie als terroristische Vereinigung ein.

Mischung aus Religion und Nationalismus

Der in Izmit bei Istanbul tätige deutsche Pastor Wolfgang Häde – Schwager des in Malatya ermordeten Aydin – macht eine Mischung aus Religion und Nationalismus für einen Großteil der Gewalt gegen Christen verantwortlich. Weit verbreitet sei die Meinung, dass ein echter Türke Muslim sein müsse, sagte Häde dem katholischen Hilfswerk „Kirche in Not“ (München). Vor den Morden von Malatya hätten örtliche Zeitungen reißerisch Stimmung gegen Christen gemacht. Nachdem auch von höchsten politischen Stellen jahrelang Vorurteile geschürt worden seien, herrsche in dem Land eine schlechte öffentliche Meinung über Christen.

Gesetzeslage besser als die Realität

Häde sieht zwar Verbesserungen für den juristischen Status von Christen in der Türkei, aber diese setzten sich nur langsam durch: „Die Gesetzeslage ist besser als die gesellschaftliche Realität.“ So glaubten viele Türken fälschlicherweise, dass es verboten sei, in der Öffentlichkeit über den Glauben zu sprechen. Auch die Polizei sei oft nicht über die rechtliche Situation im Bilde. Erfreut zeigte sich Häde darüber, dass Bundespräsident Christian Wulff unlängst bei seinem Türkeibesuch deutlich für die Rechte der christlichen Minderheit im Land Stellung bezogen habe. Allerdings hätte er laut Häde auch betonen sollen, dass zur Religionsfreiheit auch der freie Religionswechsel gehöre. Der Pastor: „Die Türkei will in die EU und muss daher die europäischen Standards bei den Menschenrechten und der Religionsfreiheit erfüllen.“ Über 95 Prozent der 72 Millionen Einwohner der Türkei sind Muslime. Von den rund 120.000 Christen gehören etwa 4.000 zu evangelikalen Gemeinden.