23. Oktober 2021

Türkei: Wird Pauluskirche in Tarsus für Gottesdienste geöffnet?

Quelle: idea.de

Die Pauluskirche in Tarsus. Foto: PR

Ankara/Berlin/Frankfurt am Main (idea) – Der Chef der türkischen Religionsbehörde (Diyanet), Ali Bardakoglu, hat sich dafür ausgesprochen, die Pauluskirche in Tarsus wieder für Gottesdienste zu öffnen. Wie er gegenüber der Zeitung Milliyet erklärte, fände er es „richtiger, wenn die Pauluskirche als Gotteshaus genutzt werde statt als Museum“.
 

Es sei nicht verständlich, den Christen die Abhaltung religiöser Zeremonien in diesem Gebäude zu verbieten. Die mittelalterliche Kirche war 1943 verstaatlicht worden. Während des von der katholischen Kirche ausgerufenen Paulusjahres vor zwei Jahren war das Gebäude dank einer Sondergenehmigung zwischenzeitlich für Gebete geöffnet. CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe begrüßte Bardakoglus Vorstoß. „Für Christen in aller Welt wäre es ein wichtiges Signal, wenn gerade in der Kirche im Geburtsort des Apostel Paulus wieder Gottesdienste gefeiert werden könnten“, sagte er am 25. August. Er hoffe, dass der Vorschlag möglichst bald von der türkischen Regierung aufgegriffen und umgesetzt werde. Trotz der Reformbemühungen der letzten Jahre gebe es in der Türkei hinsichtlich der Verwirklichung der Religionsfreiheit noch viel zu tun. Gröhe: „Immer noch haben Christen mit behördlichen Schikanen zu kämpfen. So muss auch das Priesterseminar in Halki endlich wieder eröffnet werden, um die Ausbildung von griechisch-orthodoxen Geistlichen in der Türkei zu ermöglichen. Der Staat muss zudem überzeugend und wirksam fundamentalistischen Gewalttätern, die Christen bedrohen, entgegentreten.“

IGFM: Den Worten müssen Taten folgen

Die Internationale Gesellschaft für Menschenrechte (IGFM/Frankfurt am Main) reagierte mit Zurückhaltung auf Bardakoglus Äußerungen. Seit 2008 habe es keine wesentlichen Verbesserungen bei der Religionsfreiheit gegeben, so IGFM-Referent Walter Flick gegenüber idea. Bardakoglu habe bereits im Januar eine entsprechende Ankündigung gemacht, ohne dass Taten gefolgt seien. Christliche Gemeindeleiter in der Türkei seien nach wie vor der durch nichtstaatliche Akteure bedroht. So sei der Vorsitzende der türkischen katholischen Bischofskonferenz, der italienische Bischof Luigi Padovese, vor knapp drei Monaten von seinem muslimischen Fahrer ermordet worden. Die theologischen Seminare der griechisch-orthodoxen und der armenisch-orthodoxen Christen könnten seit rund 40 Jahren nicht geöffnet werden. Angesichts dieser Situation sei es voreilig, aufgrund der Äußerungen einer Einzelperson von einer Bewegung in Sachen Religionsfreiheit zu sprechen, so Flick. Über 95 Prozent der 72 Millionen Einwohner der Türkei sind Muslime. Von den rund 120.000 Christen gehören etwa 4.000 zu evangelikalen Gemeinden.