29. Mai 2022

Kapstadt: Wenn Deutschland gewinnt

Quelle: ideaPressedienst vom 5. Juli 2010

idea-Redakteur Tobias-Benjamin Ottmar

B E R I C H T
von Tobias-Benjamin Ottmar
 

Fußball-WM Eine deutschsprachige Gemeinde im Zentrum von Kapstadt nutzt die WM, um Sport und Glaube zu verbinden. Auch ihr Pfarrer, der gebürtige Südafrikaner Siegfried Hambrock, fiebert dem Titel entgegen – und freut sich gleichzeitig über viele neue Kontakte. Tobias-Benjamin Ottmar hat mit ihm gesprochen.

Samstag, 17:48 Uhr: In der Evangelisch-Lutherischen Kirche St. Martini in Kapstadt gibt es kein Halten mehr. Die rund 80 Fans, die sich in der Gemeinde zum Fußballgucken versammelt haben, feiern den 4:0-Sieg ihres Teams gegen Argentinien. Auch der gebürtige Südafrikaner, Pfarrer Siegfried Hambrock, jubelt mit. Das Gemeindezentrum ist in diesen Tagen ein beliebter Anlaufpunkt für Deutschlandfans. Keine vier Kilometer vom Stadion entfernt, wird hier jedes Spiel der Nationalelf übertragen. Vorher gibt es von Hambrock und anderen Mitarbeitern einen geistlichen Anstoß.

Ohne Engagement geht die Gemeinde ein
Seit 2003 ist der heute 61-Jährige in Kapstadt tätig. Vorher arbeitete er in Pretoria und Vanderbijlpark bei Johannesburg. Etwa 700 Mitglieder zählt die Gemeinde. Sie entstand im 19. Jahrhundert in der Folge des Kolonialismus, in dessen Zuge viele Lutheraner von Europa nach Südafrika übersiedelten. Bis in die 1960er-Jahre gehörte die St. Martini-Gemeinde zur Evangelisch-lutherischen Landeskirche Hannovers. Heute ist sie Teil der Kapkirche, einer lutherischen Kirche in Südafrika. Anders als in Deutschland, kommt es hier maßgeblich auf das Engagement jedes einzelnen Mitglieds an. „Wenn nichts läuft, geht die Gemeinde ein – hier gibt es keine Ämter und Werke, die einem die Arbeit abnehmen“, sagt Hambrock. So kommt es, dass die deutschen Lutheraner sehr missionarisch sind. Von denen, die allein durch die Kinder- und Jugendarbeit erreicht werden, seien über 80 % keine Kirchenmitglieder, berichtet der Pfarrer. „Die WM gibt uns die Möglichkeit, viele Kontakte zu Außenstehenden aufzubauen.“ Das Fußballfest ist für den ambitionierten Pfarrer das ideale Ereignis, um die christliche Botschaft weiterzugeben. Seit Februar ist die Kirche länger geöffnet als sonst. Zweimal in der Woche gibt es Mittagsandachten. Gemeinsam mit Christen aus anderen Gemeinden werden missionarische Verteilaktionen im Umfeld der Fanmeile initiiert. Vor der WM hätten sich zudem tausende Christen im Stadion von Kapstadt zum Gebet versammelt, berichtet Hambrock. Zu den Spielübertragungen kämen nicht nur Gemeindemitglieder, sondern auch viele Freunde und Bekannte. Er hoffe, dass die daraus entstandenen Kontakte nach der WM vertieft werden können, um die Menschen schließlich zum Glauben zu führen.

Wäre die gleiche Begeisterung für Christus …
Trotz des deutlichen Siegs der deutschen Mannschaft ist das Herz des Geistlichen an diesem bedeutsamen WM-Abend etwas gespalten. Einerseits trauert er noch dem schmerzhaften Ausscheiden des letzten afrikanischen Teams – Ghana – am Vorabend nach, das in der Nachspielzeit der Verlängerung einen Elfmeter verschoss. Andererseits freut sich der 61-Jährige mit den deutschen Wurzeln auch für die Heimat seiner Vorfahren, die einst als Missionare nach Südafrika kamen. Die Spielweise erinnere ihn an die Weltmeistermannschaft von 1974, sagt er. Tatsächlich hat seit 1970 kein Weltmeister mehr so viele Tore geschossen, wie die Deutschen in diesem Jahr. Besonders beeindruckt ist Hambrock von dem Jubel der Lehrer, die an der einst von der Gemeinde gegründeten Deutschen Schule unterrichten und das Spiel mitverfolgten: „Wenn die gleiche Begeisterung für das Christsein da wäre, was wäre das für ein Potenzial, um andere Menschen zum Glauben zu führen?“.

Himmlische Freude übertrifft Vuvuzela-Lärm
Auch in den Gottesdiensten kommt der Pfarrer um das Thema Fußball nicht herum. Ein zentraler Inhalt ist das Thema Vertrauen. „Ich muss meinen Mannschaftskameraden vertrauen, ich muss aber vor allem Gott vertrauen, dass er es gut mit mir meint“, sagt er. Entscheidend für den Sieg im Leben sei, dass man zur richtigen Mannschaft gehöre – nämlich zu Jesus Christus. „Der Jubel im Himmel, wenn einer umkehrt, übertrifft 1.000 Vuvuzelas“, ist der Pfarrer überzeugt. Seine große Hoffnung ist, dass die Christen aus seiner Gemeinde ihre Offenheit gegenüber den vielen Gästen, die während der WM in die Kirche kamen, beibehalten. Genauso wie man begeistert vom Fußball sei, könne man auch mit fröhlichem Herzen die christliche Botschaft weitergeben, sagt Hambrock. Schließlich sei das Leben mit Gott unendlich wertvoller als ein WM-Sieg. „Wenn Deutschland gewinnt, hat der Titel vier Jahre Bestand. Aber die Entscheidung für Jesus bringt mir ewiges Leben.“