30. November 2021

Für einen Mentalitätswechsel in der Wirtschaft

Quelle: idea.de

Der katholische Münchener Erzbischof Reinhard Marx. Foto: 2. ÖKT/Nadine Malzkorn

München (idea) – Vertreter aus Kirche und Politik haben einen Mentalitätswechsel im Finanzsystem und der Wirtschaft gefordert. Banken dürften ihre Risiken auf die Allgemeinheit abwälzen und die Gewinne selbst kassieren, kritisierte der katholische Münchener Erzbischof Reinhard Marx auf einer Podiumsdiskussion am 15. Mai auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag in München.
 

Seit Beginn der neunziger Jahre habe es eine Beschleunigung in eine „radikale kapitalistische Ideologie“ gegeben. Nötig sei eine völlige Neuausrichtung. Der Leiter der Grundsatzabteilung im Bundesfinanzministerium, Markus Kerber (Berlin), sagte, auch das Wirtschaften im privaten Bereich müsse umgestellt werden. Man habe jahrelang über die Verhältnisse gelebt. Mitunter hätten auch Privatleute ihren Anteil an der derzeitigen schwierigen wirtschaftlichen Situation, verdeutlichte Kerber am Beispiel der Griechenland-Krise. „Wenn sie vor kurzem einen Rentensparplan abgeschlossen haben, haben sie wahrscheinlich auch, ohne es zu wissen, in Euro-Anleihen investiert“. Spekulanten hatten angesichts der Griechenlandkrise auf eine Schwächung der Währung gewettet. Zur Stabilisierung des schwer verschuldeten Landes und der Währung hatten die EU und der Internationale Währungsfonds am 8. Mai ein Rettungspaket von 750 Milliarden Euro beschlossen.

Verursacher sollen Verantwortung tragen

Der frühere Bankmanager kritisierte, dass der uralte Grundsatz „Wer den Nutzen hat, muss auch den Schaden tragen“ in den letzten 20 Jahren vernachlässigt worden sei. „Es kann nicht sein, dass die Haftung der Allgemeinheit überlassen wird“, sagte er im Hinblick auf die riskanten Geschäfte einiger Banken, die die Finanzkrise ausgelöst hatten. Diese Verursacher müssten in erster Linie zur Verantwortung gezogen werden. Dabei helfe eine Finanztransaktionssteuer – wie sie aus Reihen der Opposition im Bundestag gefordert wird – aber wenig, da sie vor allem die Anleger treffe. Kerber kündigte für die nächsten Wochen Entscheidungen an, mit denen die Märkte „eingezäunt“ werden sollen.

Huber kritisiert fehlende Umsetzung

Der frühere EKD-Ratsvorsitzende, Bischof i.R. Wolfgang Huber (Berlin), sprach von einem „System organisierter Verantwortungslosigkeit“. Er kritisierte, dass bislang keine konkreten Beschlüsse gefasst worden seien, um künftige Finanzkrisen zu verhindern. Als Begründung werde dafür angeführt, dass bestimmte Ideen international nicht durchsetzbar seien. Huber verglich dies mit der Situation in einem Schwimmbad, wo ein Kind ins Wasser fällt. „Alle stehen drum herum und warten, bis jemand anderes hilft – bis das Kind am Ende ertrinkt.“ Er sprach sich für mehr Transparenz bei Finanzgeschäften und ein Verbot von Derivaten aus. Dabei handelt es sich um Finanzinstrumente, mit denen beispielsweise auf den Bankrott von Staaten gewettet wird. Der Kapitalismus müsse in eine „nachhaltige, globalisierte Soziale Marktwirtschaft“ eingebunden werden. Gleichwohl solle man nicht nur über Veränderungen im System diskutieren, sondern auch die Vorbildfunktion von Personen und Institutionen berücksichtigen.