2. Dezember 2021

Darf die Kirche im Krieg Seelsorge leisten?

Quelle: idea.de

München (idea) – Eine kritische Haltung der Kirche zum Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr und das Engagement von Militärseelsorgern in dem Land schließen sich nicht aus. Das machte der amtierende EKD-Ratsvorsitzende Nikolaus Schneider (Düsseldorf) am 14. Mai auf einer Podiumsveranstaltung des Ökumenischen Kirchentags in München deutlich.
 

„Wir segnen keine Waffen“, sagte Schneider auf die Frage, wie sich die Ablehnung des Krieges und die Militärseelsorge miteinander vereinbaren ließen. Auch bete man nicht um Kraft für die Soldaten, damit sie andere Menschen töten könnten. Allerdings gebe es auch Christen in der Bundeswehr, die in Afghanistan im Einsatz seien. Sie hätten – ebenso wie Nichtchristen – ein Recht auf geistliche Begleitung. Der Auftrag, das Evangelium zu verkünden und Trost zu spenden, gelte allen Menschen. Schneider sprach auch Probleme des Konflikts an. So gehe das Engagement von Nichtregierungsorganisationen zurück, die sich in Afghanistan für den Aufbau einer Infrastruktur engagieren. Es sei im Interesse der Soldaten, wenn die Kirche solche kritischen Fragen anspreche. Wie idea aus EKD-Kreisen erfuhr, hatte Schneider geplant, sich in der vergangenen Woche vor Ort über die Situation in dem Land zu informieren. Aus sicherheitspolitischen Gründen sei die Reise aber abgesagt worden.

Kritik an Verteilung des Geldes

Der Präsident der deutschen Sektion der Friedensorganisation Pax Christi, der katholische Fuldaer Bischof Heinz Josef Algermissen, forderte eine klare Ausstiegsstrategie aus Afghanistan. Auch er bemängelte ein Missverhältnis bei der Verteilung der finanziellen Mittel für die Entwicklungshilfe und den Militäreinsatz. Deutschland lebe als eine der größten Waffenexporteure „vom Tod anderer Menschen“, kritisierte er.

Kastner: Auch positive Entwicklungen

Nach Ansicht der Vorsitzenden des Verteidigungsausschusses im Bundestag, Susanne Kastner (SPD), hat sich in Afghanistan einiges zum Positiven entwickelt. So habe die USA beispielsweise nicht nur die Ausgaben für das Militär, sondern auch für den Wiederaufbau erhöht. Der Vorsitzende des Auswärtigen Ausschusses, Ruprecht Polenz (CDU), verwies auf die Entwicklungen in Europa, das sich von einem der kriegerischsten Kontinente zu einer friedlichen Region entwickelt habe. Diese Erfahrungen könne man auch in die Lösung des Afghanistan-Konflikts einbringen. Der Journalist Andreas Zumach (Genf) widersprach den Politikern. Er sei der Überzeugung, dass die Programme zum Wiederaufbau nicht fruchten werden, solange der Krieg weitergehe. Die Situation sei mit Europa nicht vergleichbar.

Kritik an Israels Atompolitik

Hinsichtlich des Atomkonflikts mit dem Iran forderte Zumach die Kirchen auf, eine gemeinsame Resolution zu verfassen. In der Debatte um den Iran dürfe man auch die Atompolitik Israels nicht unberücksichtigt lassen, da diese als Argument für das iranische Atomprogramm angeführt werde. Algermissen stimmte Zumach im Wesentlichen zu. Man müsse auch in Deutschland sagen dürfen, dass die israelische Politik „Elemente von Unrechtsstrukturen“ habe.

ÖRK: Mit Christen im Nahen Osten sprechen

Der Generalsekretär des Ökumenischen Rates der Kirchen (ÖRK), Olav Fykse Tveit (Genf), plädierte dafür, in der Friedensfrage auch mit Christen im Nahen und Mittleren Osten sowie in Afrika zu sprechen. Man könne diese Frage nicht allein westlicher Sicht behandeln. Die deutschen Kirchen könnten in der Debatte aufgrund ihrer Geschichte einen wesentlichen Beitrag leisten.