30. November 2021

Bundesinnenminister: Wer hoch kritisiert, fällt tief

Quelle: idea.de

De Maiziere rät Kirchen: Weniger steile Forderungen an Politik. Screenshot: ZDF

München (idea) – Bundesinnenminister Thomas de Maiziere rät den Kirchen, nicht immer allzu hohe moralische Forderungen an die Politik zu richten. Man müsse sich nicht wundern, wenn dann auch eigene Fehler überdeutlich in der Öffentlichkeit herausgestellt würden.
 

„Wer hoch kritisiert, fällt tief“, sagte der CDU-Politiker in einer Podiumsdiskussion, die am 13. Mai vom ZDF auf dem 2. Ökumenischen Kirchentag aufgezeichnet und später ausgestrahlt wurde. In der breiten Medienberichterstattung über die Missbrauchsskandale in den Kirchen entdecke er auch ein Element der Schadenfreude, dass die, die immer die Welt belehren wollten, jetzt selbst von Skandalen betroffen seien.

Ohne Kirchen kein gesellschaftlicher Zusammenhalt

Gleichzeitig würdigte der Minister den hohen Beitrag, den die Kirchen für die Gesellschaft leisten. Ohne das kulturelle und soziale Engagement der Kirchen würde das gesellschaftliche Zusammenleben zusammenbrechen. De Maiziere verwies darauf, dass die katholische Caritas mit 500.000 Beschäftigten und die Diakonie mit 450.000 die beiden größten Arbeitgeber Deutschlands seien. Bei der staatlichen Mitfinanzierung ihrer Einrichtungen würden sie nicht gegenüber weltlichen Wohlfahrtsverbänden wie etwa der Arbeiterwohlfahrt bevorzugt. Zwar wäre es nicht gut, wenn sich etwa alle Krankenhäuser in kirchlicher Trägerschaft befänden, es wäre aber auch nicht von Vorteil, wenn es sich ausschließlich um kommerzielle Unternehmen handele.

Atheist: Kirchen werden privilegiert

Bei der Diskussion kritisierte Philipp Möller von der atheistischen buskampagne.de, dass die kirchlichen Einrichtungen durch hohe staatliche Zuwendungen privilegiert würden. Nur zwei Prozent der Aufwendungen für diakonische Einrichtungen kämen aus Kirchensteuermitteln. Auch beanspruchten sie ein besonderes Arbeitsrecht, das gegen das Gleichstellungsgesetz verstoße. So könnten sie darauf bestehen, dass Krankenschwestern Kirchenmitglieder seien. Dies sei eine Zwangskonfessionalisierung. Für die pflegerische Tätigkeit spiele der persönliche Glaube keine Rolle. Möller vertrat die Ansicht, dass Menschen auch ohne Glauben glücklich und mit hohen moralischen und ethischen Werten leben könnten. Er wünsche sich eine Gesellschaft, in der der Mensch im Mittelpunkt stehe.

Welche Folgen hat der Missbrauchsskandal?

In der Diskussion ging es auch um die Auswirkungen der Missbrauchsskandale auf die Kirchen. Der Bischof der katholischen Diözese Rottenburg-Stuttgart, Gebhard Fürst, berichtete, dass im Februar und März 3.500 Mitglieder seines Bistums ausgetreten seien. Das seien drei Mal so viele wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres. Er habe persönlich alle Ausgetretenen angeschrieben. 80 hätten sich daraufhin zu Gesprächen bereit erklärt. Eine Austritts- oder Übertrittswelle kann der Präses der Evangelischen Kirche im Rheinland, Nikolaus Schneider, bisher nicht in seiner Landeskirche beobachten.

Kirche bleibt im Dorf

Der amtierende EKD-Ratsvorsitzende sprach sich für einen kirchlichen Reformprozess aus, bei dem vor allem die Kirchengemeinden neue Kraft gewinnen und sich mehr an Außenstehende wenden. Im Osten Deutschlands, wo noch 20 Prozent der Bevölkerung einer Kirche angehören, sei man nicht mehr flächendeckend vertreten. Im Westen wolle man dies möglichst erhalten. Schneider: „Wir wollen, dass die Kirche im Dorf bleibt.“

Zutiefst christlich geprägtes Land

Die Hamburger Kultursenatorin Karin von Welck verwies darauf, dass Deutschland ein zutiefst christlich geprägtes Land sei. Daraus erwüchsen unverzichtbare Werte wie Freiheit, Verantwortung, Solidarität und Toleranz. Gleichzeit müsse man sich aber auf ein besseres Miteinander mit Angehörigen anderer Religionen einstellen. In Hamburg kämen 50 Prozent der Jugendlichen unter 18 Jahren aus Zuwandererfamilien.