6. Dezember 2021

Proteststurm gegen „Titanic“-Titelbild wird stärker

Quelle: idea.de

Beschwerdeflut beim Deutschen Presserat – Vier Strafanzeigen.

Frankfurt am Main (idea) – Der Proteststurm gegen das aktuelle Titelbild des Satiremagazins „Titanic“ (Frankfurt am Main) wird stärker. Wie der Deutsche Presserat (Berlin) am 12. April auf idea-Anfrage mitteilte, seien bislang etwa 150 Beschwerden eingegangen, so viele wie seit den dänischen Mohammed-Karikaturen vor vier Jahren nicht mehr.
 

Auf dem Titanic-Titel ist zu sehen, wie ein Priester vor dem am Kreuz hängenden Jesus kniet. Kritiker deuten die Szene so, dass der Geistliche den Gekreuzigten mit dem Mund sexuell befriedigt. Das Heft spielt damit auf den Missbrauchsskandal in kirchlichen Einrichtungen an. Die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Main sprach am 12. April von mittlerweile vier eingegangenen Strafanzeigen. Die Entscheidung, ob Ermittlungen aufgenommen werden, soll im Laufe der Woche fallen. Der Beschwerdeausschuss des Presserats wird sich voraussichtlich Ende Mai mit den eingegangenen Beschwerden befassen. Während von der EKD, der Deutschen Bischofskonferenz und der Deutschen Evangelischen Allianz keine Stellungnahme zu erhalten war, kommt aus der Politik inzwischen scharfe Kritik. Der Vorsitzende des Evangelischen Arbeitskreises der CDU/CSU, der Parlamentarische Staatssekretär im Bundesbildungsministerium Thomas Rachel (Berlin), sagte gegenüber idea: „Es handelt sich hierbei um eine durchsichtige Provokation zur Steigerung der Auflage, die völlig geschmacklos ist.“

Redaktion soll sich entschuldigen

Der Sprecher des Arbeitskreises Engagierter Katholiken in der CDU, Martin Lohmann (Bonn), bezeichnete das Titelbild als „eine üble Beleidigung christlich-religiöser Empfindungen und eine primitive Missachtung von Anstand, Toleranz und Respekt“. Die Darstellung sei schamlos und verletzend. Lohmann: „Dem verantwortlichen Redakteur ist zu raten, sich in aller Form öffentlich zu entschuldigen und sich von dieser gotteslästerlichen Entgleisung zu distanzieren.“ Zuvor hatte der CSU-Bundestagsabgeordnete Norbert Geis (Aschaffenburg) in der katholischen Zeitung „Die Tagespost“ (Würzburg) an die Staatsanwaltschaft appelliert, gegen die Veröffentlichung einzuschreiten. Die Meinungsfreiheit gelte nicht schrankenlos. Der Rechtsexperte: „Wenn sie in Beschimpfung (Schmähkritik) ausartete, verlässt sie den Boden der Verfassung und ist nach den Normen des Strafgesetzbuches zu beurteilen. Das gilt auch im vorliegenden Fall.“ Im Online-Netzwerk Facebook melden sich sowohl Kritiker als auch Unterstützer des Titelbilds zu Wort. Über 1.400 Bürger protestieren „aufs Schärfste gegen das aktuelle Titanic Cover“. Mehr als 3.000 Internetnutzer unterstützen dagegen die umstrittene Darstellung.

Rüge wegen Verstoßes gegen die Menschenwürde

Das Magazin ist für provozierende Veröffentlichungen und Tabubrüche bekannt. Im März hatte Titanic-Online vom Presserat eine öffentliche Rüge wegen eines Verstoßes gegen die Menschenwürde (Ziffer 1 des Pressekodex) erhalten. Die Zeitschrift hatte im Internet mehrere Cartoons zum Tod des Fußballtorwarts Robert Enke veröffentlicht. Der 32-Jährige hatte sich im November das Leben genommen. Er litt jahrelang an Depressionen.

Bereits 1995 Kruzifix auf dem Titel

Mit der neuerlichen Kritik gehen die Redakteure gelassen um. Im Internet werden aufgezeichnete Anrufe von Lesern veröffentlicht, die sich über das Titelbild beschweren. Zudem werden Postkarten und Poster der umstrittenen Veröffentlichung zum Kauf angeboten, die man dann in seinem Osterfeuer verbrennen könne, so die Titanic-Redaktion. Ferner erinnert das Blatt an eine ähnliche Verunglimpfung vor 15 Jahren. Nach dem Kruzifix-Urteil des Bundesverfassungsgerichts veröffentlichte das Magazin auf dem Titel das Bild eines am Kreuz hängenden Jesus mit einer Klorolle in den Händen. Darunter in großen Lettern die Frage: „Spielt Jesus noch eine Rolle?“

Titanic: Reaktionen sind unverständlich

Der Chefredakteur des Blattes, Leo Fischer, äußerte gegenüber dem Informationsdienst Meedia sein Unverständnis über die Proteste. „Wir von Titanic sehen hier einen Priester, der sich hingebungsvoll einem Kruzifix zuwendet – vielleicht in demütiger Anbetung, vielleicht poliert und entstaubt er das heilige Utensil sogar, zum Wohlgefallen des Heilands.“ Die Tatsache, dass die Kirche selbst bisher keine Stellung zu dem Titel genommen habe, zeige, „dass die Kirchenoberen die Botschaft dahinter sehr wohl verstanden haben“. Das Blatt hat eine Druckauflage von etwa 100.000 Exemplaren. Zu den Gesellschaftern gehört der Komiker Otto Waalkes (Hamburg).