30. Juni 2022

Bedauern und Respekt für Käßmanns Rücktritt

Quelle: idea.de

Politiker, Kirchenvertreter und Evangelikale zollen Margot Käßmann Respekt. Foto: Monika Lawrenz/LVH

Hannover/Berlin (idea) – Mit Bedauern und Respekt haben Vertreter aus Politik, Kirchen, Freikirchen und evangelikaler Bewegung auf den Rücktritt von Margot Käßmann reagiert. Die 51-Jährige hatte am 24. Februar als Konsequenz aus ihrer Trunkenheitsfahrt ihre Ämter als EKD-Ratsvorsitzende und hannoversche Landesbischöfin niedergelegt. Sie bleibt Pastorin in ihrer Landeskirche.
 

Der Vorsitzende der Deutschen Evangelischen Allianz, Jürgen Werth (Wetzlar), zollte Käßmann Respekt und bedankte sich für die Zusammenarbeit. Allianz-Generalsekretär Hartmut Steeb (Stuttgart) sagte, er hätte in einer solchen Situation wohl die gleiche Entscheidung getroffen. Aus Sicht des Bischofs der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, Markus Dröge (Berlin), setzt Käßmann „das hohe Maß an Glaubwürdigkeit fort, das sie selbst lebt und von anderen einfordert“. Sein sächsischer Amtskollege Jochen Bohl (Dresden) sagte gegenüber der Leipziger Volkszeitung, Käßmann habe eine klare Konsequenz gezogen: „Es ehrt sie, dass sie sich so verhalten hat, wie man es von ihr gewohnt war: Sie wollte ihre Kirche schützen.“ Nach Ansicht des westfälischen Präses Alfred Buß (Bielefeld) hat Käßmann „Verantwortung übernommen für eine Grenzüberschreitung, die Menschen an Leib und Leben gefährden konnte“.

Dutzmann: Viele setzten Hoffnung auf Käßmann

Der Landessuperintendent der Lippischen Landeskirche und Evangelische Militärbischof Martin Dutzmann (Detmold) sagte, viele Menschen hätten große Hoffnungen in die Ratsvorsitzende gesetzt. Gerade in der Diskussion um den Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr habe er Käßmann als „äußerst konstruktiv und hilfreich erlebt“. Der Vorsitzende der theologisch konservativen Konferenz Bekennender Gemeinschaften in den evangelischen Kirchen Deutschlands, Pastor Ulrich Rüß (Hamburg), brachte seine Hochachtung für Käßmann zum Ausdruck. Ihr Schritt sei nötig gewesen, weil – wie sie selbst gesagt habe – ihr Amt als Ratsvorsitzende und Bischöfin beschädigt sei. Die Präsidentin der Vereinigung Evangelischer Freikirchen (VEF), die evangelisch-methodistische Bischöfin Rosemarie Wenner (Frankfurt am Main), dankte Käßmann in einem persönlichen Schreiben für die „klare, präsente und mutige Art“, in der sie ihre Ämter ausgefüllt und die christliche Botschaft zu Gehör gebracht habe. Dass sie zu ihrem Fehler stehe und auch im Scheitern öffentliche Verantwortung wahrnehme, sei glaubwürdig.

Kirchentagsgeneralsekretärin: Rücktritt unnötig

Die Generalsekretärin des Deutschen Evangelischen Kirchentags, Ellen Ueberschär (Fulda), zeigte sich erschüttert über den Rücktritt. „Ich weiß nicht ob diese Konsequenz wirklich nötig gewesen wäre“, sagte sie der Leipziger Volkszeitung. „Wenn man ehrlich ist, dann gibt es ungefähr 90 Prozent der Führerscheininhaber in diesem Land, die sicherlich schon mal mit einem Gläschen Wein gefahren sind.“ Zudem bange sie um Käßmanns Teilnahme am Ökumenischen Kirchentag im Mai in München. „Wir haben allein 16 Programmpunkte, bei der sie als Gastrednerin vorgesehen war. Ich würde mir persönlich sehr wünschen, wenn sie als Pastorin einige geplante Veranstaltungen wahrnimmt.“

Grüne: Entscheidung in der Konsequenz zu hart

Die stellvertretende Vorsitzende der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Ingrid Fischbach, und die Beauftragte für Kirchen und Religionsgemeinschaften, der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Maria Flachsbarth, sprachen von einem „entschlossenen Schritt“ Käßmanns. Mit ihr verliere die EKD eine Bischöfin, „die zu Recht über die eigenen Reihen hinaus Respekt und Anerkennung verdient hat“. Der kirchenpolitische Sprecher der SPD, Siegmund Ehrmann, äußerte sein Bedauern; der Sprecher der Gruppe „Christen in der FDP-Bundestagsfraktion“, Patrick Meinhardt, lobte das „hohe Maß an Menschlichkeit, menschlicher Authentizität und christlicher Nächstenliebe“, mit der Käßmann ihre Ämter ausgefüllt habe. Für den kirchenpolitischen Sprecher von Bündnis 90/Die Grünen, Josef Winkler, war der Rücktritt „zu hart“. Der religionspolitische Sprecher der Fraktion „Die Linke“, Raju Sharma, würdigte die Zusammenarbeit mit Käßmann als „vertrauensvoll und ausgesprochen konstruktiv“. Gerade vor dem Hintergrund ihrer Äußerungen zum Afghanistan-Einsatz nehme er den Rücktritt „mit Bedauern zur Kenntnis“.

Nachfolge wird im November geregelt

Bis zur EKD-Synode im November übernimmt der rheinische Präses Nikolaus Schneider (Düsseldorf) als stellvertretender Ratsvorsitzender die Amtsgeschäfte. Dort wird die Nachfolge durch eine Neuwahl geregelt. Es muss noch ein weiterer Sitz im Rat besetzt werden, der im Oktober 2009 offen geblieben war. Ob der 62-jährige Schneider für die gesamte sechsjährige Amtsperiode als Ratsvorsitzender in Frage kommt, ist noch unklar. Er geht in drei Jahren in Ruhestand.